Nach einer längeren Trockenperiode in Donaumoos bei Ingolstadt kommt unversehens ein Böhe auf. Der feine Oberboden wird aufgewirbelt, man steht in einem Staubsturm. Kaum vorstellbar, dass der staubige Untergrund Rest eines ehemals intakten Niedermoores sein soll. Dies ist eigentlich auch nicht mehr der Fall. Das Moor hat sich "in Luft" aufgelöst oder wurde abgeweht. Der Moorpegel, der 1836 in das noch ungenutzte Moor geschlagen wurde, ragt heute mehr als drei Meter über die aktuelle Bodenoberfläche hinaus, der verbliebene Torfstich ist nur noch einen halben Meter stark.
Bodenverlust durch Mineralisierung
Dieser Moorschwund ist Folge des sogenannten "oxidativen Torfverzehrs". Die jahrtausende währende Akkumulation von Nährstoffen wird im Laufe von Jahrzehnten bis Jahrhunderten durch die Durchlüftung des Bodens umgekehrt. Je nach Moortyp kann die Mineralisierung zu zehn bis 40 Millimeter pro Jahr Bodenverlust führen. Klima und Landschaftshaushalt haben gewaltige Stoffausträge zu verkraften.
Norddeutschland. Auf offenem Grasland, bei dem man nur noch an der Bodenfarbe den Ursprung des Niedermoores erkennt, erstrecken sich über weite Flächen, die fast ausschliesslich mit der Quecke bedeckt sind. Die einzige Abwechselung in der landschaftlichen Einöde sind die gelegentlich eingestreuten Brennesselfluren. Außer dieser Stickstoffzeiger wächst auf diesen ehemaligen Böden nicht mehr viel. Durch die starke Entwässerung und die landwirtschaftliche Bearbeitung hat sich die Struktur irreversibel verändert. Der Boden ist "vermullt", hat eine holzkohleartige Konsistenz, die kleinen Stücke lassen sich kaum zwischen den Fingern zerreiben. Die Oberfläche der vermullten Schicht ist nicht mehr in der Lage, sich von Niederschlägen benetzen zu lassen geschweige denn Feuchtigkeit aufzunehmen. Dieser Boden, ehemals Lebensraum einer reichen Fauna und Flora, taugt nicht einmal mehr zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung.
Verlust der Rückhaltefunktion
Doch nicht nur Lebensräume gehen verloren oder werden dermaßen degeneriert, dass sie nicht wiederzuerkennen sind. Auch ihre großräumigen Funktionen für den Landschaftshaushalt könen sie nicht mehr erfüllen. Der Verlust der Rückhaltefunktion führt zu vermehrter Hochwassergefahr, die "Torfmineralisation" zur Freisetzung der seit Jahrtausenden im Torf gebundenen Stickstoff-Verbindungen. Gasförmig entweichen sie als Methan, als molekularer Stickstoff, als Stickoxide und Lachgas. Nitrat hingegen wird ausgewaschen.
Ungefähr 1300 Kilogramm Stickstoff wird pro Hektar Ackerfläche und Jahr auf degenerierten Niedermoorstandorten ausgetragen. Davon wird mehr als die Hälfte als Nitrat freigesetzt. In Wassergewinnungsgebieten, in deren Einzugsgebiet sich grundwassergespeiste degenerierte Moore befinden, kann es unmöglich werden die Nitratgrenzwerte der Trinkwasserverordnung einzuhalten.
Treibhauseffekt begünstigt
Die gasförmigen Freisetzungsprodukte der in Mittel- und Nordeuropa weitgehend entwässerten Niedermoore haben einen weitaus größeren Anteil am Treibhauseffekt als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt das Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) nach Untersuchungen an nordostdeutschen Niedermooren. Hierbei müssen auch unbewirtschaftete gestörte Niedermoore mit berücksichtigt werden.
Das Lachgas trägt, ähnlich wie die chlorierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe, in der Stratosphäre zum Ozonabbau bei. Gleichzeitig weist es, ebenso wie Kohlendioxid, Absorptionseigenschaften im Inffrarotbereich auf, die den Treibhauseffekt unterstützen. In sauren Moorböden ist Phosphat besonders mobil, was neben der Belastung durch die Landwirtschaft zu einer zusätzlichen Eutrophierung der Gewässer führt.
Stand: 13.10.2006