In jedem noch so unbewohnten Winkel der Erde, in den Eismassen der Pole oder im Fettgewebe von Tieren lassen sie sich nachweisen: Umweltgifte. Sie stammen aus Abwässern und Abgasen von Industrie und Verkehr, aus landwirtschaftlichen Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern, aus der Verklappung von Giftmüll. Durch Windzirkulation und Wasserkreislauf über große Entfernungen transportiert, reichern sie sich – zum Teil schwer wieder abbaubar – in Natur und Nahrungskette an.
Als Endglied der Nahrungskette nimmt der Mensch Umweltgifte in hohem Maße auf. Wie dieser Giftkreislauf funktioniert, zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel des Schadstoffs Dioxin, das bei der Herstellung von Chemieprodukten, der Metallverarbeitung und bei Verbrennungsvorgängen entsteht und über belastete Abwässer, Autoabgase, der Abluft von Chemiefabriken und Müllverbrennungsanlagen in die Umwelt freigesetzt wird.
In Gewässern, Böden und Weidegras angereichert, gelangt es in den Organismus von Fischen, Geflügel, Rindern und Schweinen. So kommt der Mensch nicht umhin, beim Verzehr von Milchprodukten, Fisch und Fleisch seine tägliche Dosis Dioxin – rund 20 Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht – aufzunehmen. Und das Gift setzt sich auch im menschlichen Fettgewebe hartnäckig fest: So werden in der Muttermilch häufig die höchsten Dioxinwerte überhaupt gemessen. Ein gestillter Säugling kann an einem Tag zu einer Dosis von bis zu 346 Piktogramm pro Kilogramm Körpergewicht kommen.
Aber auch Chemikalien, die nicht wie Dioxine flächenhaft in die Umwelt entweichen oder wie Dünger und Pestizide großzügig verteilt werden, verbreiten sich großräumig. Dies zeigte sich in der Verwendung der zum Schutz von Teppichböden, Schuhen, Papier in einem US-amerikanischen Bundesstaat eingesetzten polyflourierten Sulfonate. Trotz des nur lokalen Einsatzes der Chemikalie konnte diese im Fettgewebe von Eisbären, von Schildkröten am Mississippi und von Delphinen im Ganges nachgewiesen werden.
Umweltgifte stören Ökosysteme nachhaltig. Die meisten Agrar- und Industriechemikalien ahmen die Wirkung von Sexualhormonen nach, so dass es bei Säugetieren, Reptilien, Vögeln und Fischen zu Vermännlichungs- bzw. Verweiblichungserscheinungen kommt. Durch die „Zwittrigkeit“ ist die Fortpflanzungsfähigkeit herabgesetzt, ganzen Populationen droht der Exitus.
Doch die Gifte können noch unmittelbarere Folgen haben. Die in der Fettschicht der Tiere gespeicherten Verbindungen wie Dioxine, Furane, DDT oder PCB schwächen das Immunsystem derart, dass selbst harmlose Infektionen zum Tode führen können. So wird das massenhafte Robbensterben am Baikalsee – 1987 raffte ein Virus rund 10.000 Robben dahin – auf die ursächliche Wirkung von Umweltgiften zurückgeführt.
Stoffe wie Zinnverbindungen aus Schiffsanstrichen, Pilz- oder Insektengifte wie PCP, Lindan oder DDT sind in vielen Ländern mittlerweile verboten worden. Doch mit einem Verbot ist das Problem nicht unbedingt gelöst, denn die Gifte wird man so schnell nicht mehr los. Die Belastung der Umwelt wird noch über lange Zeiträume andauern.
Stand: 21.05.2002