Es ist ein Projekt der Superlative: Im Jahr 429 überqueren die Vandalen die Straße von Gibraltar – mit vermutlich 80.000 Menschen, Material und Proviant. Sie alle von der iberischen Südküste über die Meerenge nach Marokko zu bringen, erfordert einen enormen logistischen Aufwand, genügend Schiffe und nicht zuletzt das nötige seefahrerische Knowhow.
Im Pendelverkehr über die Meerenge
Doch der Vandalenkönig Geiserich hat sich und seine Untertanen gut vorbereitet. Schon in den Jahren zuvor haben die Vandalen immer wieder römische Schiffe gekapert und mit ihnen Raubzüge auf die Balearen und entlang der iberischen Küste durchgeführt. Das verschafft diesem ursprünglich eher küstenfernen Volk erste Erfahrungen in der Seefahrt und auch die nötige Flotte. Geiserich ist zudem ein gewiefter Logistiker: Für die Überfahrt richtet er eine Art Pendelverkehr seiner Schiffe zwischen Gibraltar und der Küste Nordafrikas ein.
Seine Vorbereitung zahlt sich aus: Die Vandalen erreichen Nordafrika – und damit fast schon eine Art „gelobtes Land“. Denn diese Region ist damals die Kornkammer des römischen Reiches und deckt 75 bis 90 Prozent des gesamten Getreidebedarfs. „Es war ein wohlhabendes Land mit einer blühenden Wirtschaft: Oliven, Getreide, Wein, Früchte aller Art wuchsen dort“, erklärt Astrid Wenzel vom Badischen Landesmuseum im Deutschlandfunk.
Siegeszug durch Nordafrika
Der Einfall der Vandalen in einen so wichtigen Teil des römischen Reiches hätte eigentlich auf erbitterte Gegenwehr stoßen müssen – zumal die ortsansässigen Römer und ihre Vasallen in der Mehrzahl sind. Doch den Vandalen kommt zugute, dass längst nicht alle Bewohner Nordafrikas gegenüber Rom loyal sind – im Gegenteil. Einheimische Berber, aber auch arianische Christen, die von den herrschenden römisch-katholischen Eliten unterdrückt werden, verbünden sich mit den Vandalen.
Geiserich und seine Truppen ziehen relativ zügig an der Küste entlang nach Osten. Im Jahr 430 erreichen sie Hippo Regius, den nach Karthago wichtigsten Handelshafen des römischen Nordafrika. 14 Monate lang belagern die Vandalen die befestigte Küstenstadt und schlagen auch die eilends herangezogenen römischen Truppenverbände zurück. Schließlich fällt Hippo Regius und Geiserich macht sie zur Hauptstadt seines neuen nordafrikanischen Reiches.
Der Fall Karthagos
Für die Römer ist dieser Erfolg der Vandalen ein Schock. Nachdem diese „Barbaren“ offenbar im Kampf nicht zu besiegen sind, versucht der römische Kaiser Valentinian III., sie im Jahr 435 mit einem Vertrag zu befrieden. In ihm erklärt er die Vandalen offiziell zu Foederati – eine Art nichtrömischer Vasallen – und übergibt ihnen offiziell die Herrschaft über die nordafrikanische Provinz Numidia und Teile Mauretanias.
Doch Geiserich ist dies nicht genug: Er bricht 439 erneut zu einem Eroberungsfeldzug auf – diesmal nach Karthago, der wichtigsten Stadt Nordafrikas und der drittgrößten Metropole des römischen Reiches. Karthago ist, wie es seiner Bedeutung entspricht, stark befestigt und durch starke römische Verbände geschützt. Seltsamerweise aber gelingt es den Vandalen dennoch, die Stadt fast ohne Gegenwehr zu erobern.
Warum, ist bis heute rätselhaft. Einige Geschichtsschreiber berichten, dass zu diesem Zeitpunkt die meisten Einwohner Karthagos im Hippodrom bei Pferderennen waren. Andere vermuten, dass die Vandalen von heimlichen Unterstützern in die Stadt gelassen wurden.
Nadja Podbregar
Stand: 20.07.2018