Phänomene

Die Kandidaten

Was für ein Tier könnte Nessie sein?

Schon seit den ersten Sichtungen spekulieren Wissenschaftler und Nessie-Fans gleichermaßen über die mögliche Identität des „Seeungeheuers“. Was für ein Tier könnte Nessie sein – so es sie denn doch geben sollte? Kandidaten für diesen Posten gäbe es einige, aber nur wenige von ihnen sind vom wissenschaftlich-zoologischen Standpunkt aus wahrscheinlich.

Immerhin ist der See mit seinem extrem kalten Wasser, seiner relativen Nährstoffarmut und einem durchschnittlichen Fischbestand zwischen einer und 27 Tonnen nicht gerade ein üppiges, tropisches Paradies. Wer hier überleben will, muss hart im Nehmen sein…

Plesiosaurus

Eindeutig der Favorit aller Nessie-Fans, leider aber auch einer der unwahrscheinlichsten Kandidaten. Die Plesiosaurier sind marine Reptilien, die vor rund 70 Millionen Jahren in den warmen Flachmeeren rund um Schottland lebten. Sie gehören nicht zu den Dinosauriern, starben aber gemeinsam mit ihnen vor rund 65 Millionen Jahren beim Einschlag eines Meteoriten und/oder gewaltigen Vulkanausbrüchen aus.

Kiefer eines Basilosaurus © Loch Ness Project

Gegen einen Plesiosaurus als Nessie sprechen gleich mehrere Gründe: Zum einen sind Reptilien wechselwarm und können daher ihre Körpertemperatur nur bedingt regulieren. Im nur fünf Grad kalten Wasser des Loch Ness wäre eine solches Tier fast bewegungsunfähig. Sollte Nessie aber, ähnlich wie es von einigen Dinosauriern angenommen wird, doch ein Warmblüter sein, wäre sein Stoffwechsel höher und es bräuchte mehr Nahrung als im See vorhanden und müsste vor allem häufiger auftauchen, um Luft zu holen. Dann müssten inzwischen mehr deutliche, nicht gefälschte Fotos oder Filme existieren.

Ein weiteres Gegenargument ist der Zugang zum Loch Ness. Wenn ein Plesiosaurus oder gar eine ganze Population im See lebte, müsste sie nach der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren aus der Nordsee über den River Ness in den See gelangt sein. Wenn aber in der Nordsee eine Population von Plesiosauriern tatsächlich das katastrophale Ende der Dinosaurier-Ära überlebt haben sollte, müssten auch dort schon einmal Tiere gesichtet oder sogar gefangen worden sein.

Amphibien

Ähnlich wie die Reptilien sind auch Amphibien wechselwarm und hätten daher enorme Probleme, im kalten Loch Ness ihre „Betriebstemperatur“ zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Hinzu kommt, dass es in der ganzen Welt heute weder Salzwasseramphibien noch Amphibien in „Nessiegröße“ gibt. Da die Tiere die letzte Eiszeit nur im Meer überlebt haben könnten, müssten sie jedoch zum einen salzwassertauglich, kälteresistent und als Larve möglichst klein sein, um die Passage in den See zu schaffen.

Zeuglodon (Basilosaurus)

Stör Acipenser sturio © NOAA

Der Basilosaurus – „königliche Echse“ – ist entgegen seines Namens kein Reptil, sondern eine als ausgestorben geltende Walart. Der Fisch- , Mollusken und Krebsfresser lebte im mittleren Eozän, vor rund 40-50 Millionen Jahren, in den Ozeanen der Erde. Mit seinem 15 bis maximal 24 Meter langen zylindrischen Körper, dem kleinen Kopf und der Angewohnheit, durch vertikale Biegung seines Körpers zu schwimmen, entsprach der Zeuglodon vermutlich recht gut dem klassischen Typus eines „Seemonsters“. Doch auch hier sprechen der enorme Nahrungsbedarf dieses Meeressäugers und der Zwang zum häufigen Auftauchen und Luftholen wegen seines hohen Stoffwechsels gegen ein Zeuglodon als Nessie.

Fisch

Ein ungewöhnlich großer Fisch scheint, nach Ansicht der meisten Wissenschaftler, die wahrscheinlichste Erklärung für das Nessie-Phänomen zu sein. Dabei stehen gleich zwei Kandidaten in der engeren Wahl: Der Stör (Acipenser sturio) und der Riesenaal.

Ein Aal würde zumindestens auf die „Buckel“-Beschreibungen in vielen Nessieberichten passen. Besonders große Aale der Art Conger conger wurden verschiedentlich sogar tatsächlich im Loch Ness gefangen. Allerdings erreichen diese maximal ein Viertel der für Nessie erforderlichen Größe. Zudem schwimmen Aale in der Regel durch seitliche Schlängelbewegungen, nicht durch vertikale. Um die beschriebenen „Buckel“ an der Wasseroberfläche zu erzeugen, müsste der Aal daher – völlig entgegen seines Verhaltensrepertoires – auf der Seite liegend schwimmen.

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Weitaus wahrscheinlicher erscheint das Fischkandidat zwei, der Stör: Vor allem vom Stör ist bekannt, dass er manchmal aus dem Meer in den Loch Ness einwandert, da er ähnlich wie die Lachse zum Laichen Süßwasser aufsucht. Und auch das Kriterium der Größe könnte ein Stör durchaus erfüllen: Viele Exemplare des atlantischen Störs erreichen Längen von drei bis vier Metern. Der längste jemals registrierte Stör maß sogar acht Meter und wurde in einem Fluss in Russland gefangen.

Auch seine Lebensweise würde den Nessiesichtungen und den Bedingungen im Loch Ness entsprechen: Störe haben eine niedrige Stoffwechselrate und brauchen daher verhältnismäßig wenig Nahrung. Sie halten sich gewöhnlich in tiefen Wasserschichten auf, steigen jedoch ab und zu an die Oberfläche. Von einigen Beispielen, unter anderem im amerikanischen Lake Washington, ist bekannt, dass die Tiere im Alter – dann wenn sie am größten sind – manchmal dauerhaft in Binnengewässern einwandern und dort bleiben. Zwar wurde im Loch Ness oder im River Ness bislang noch kein Stör gefangen, aber im Mündungsgebiet des Flusses, dem Moray Firth, kommen sie vor.

Zumindest zu den frühen Sichtungen könnte der Stör durchaus passen: Berichte von Fischern sprechen tatsächlich häufig eher von dem Rücken eines großen Fisches als von dem später oft zitierten saurierartigen Hals und Kopf.

Sollte sich allerdings die Stör-Theorie bewahrheiten, wäre dies eine herbe Enttäuschung für Nessiefans und die Tourismusbranche gleichermaßen: Wer fährt schon zum Loch Ness, um dann „nur“ einen Fisch zu sehen?

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Stand: 03.06.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Rätsel "Nessie"
Auf der Suche nach dem Seeungeheuer

Wasserpferde und heidnische Ungeheuer
Die ersten Legenden über ein Fabelwesen im Loch Ness

Gesucht - am liebsten lebendig...
"Nessie" wird berühmt

Spielzeug-U-Boote und schwimmende Hunde
Nessiebilder und der Streit um das "Surgeon's Photo"

Auf der Lauer am Loch Ness
Die Suche mit Über und Unterwasserkameras

Viel Schall und keine Nessie...
Die Sonar-Experimente

Eine "Badewanne" für Riesen
Der Loch Ness

Es liegt was in der Luft...
Physikalische Phänomene als Erklärung?

Monsterwelle statt Wellenmonster?
Stehende Wellen in "Nessies Badewanne"

Die Kandidaten
Was für ein Tier könnte Nessie sein?

Nessie lebt weiter...
...zumindest in der Fantasie

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