Mehr als die Hälfte der Bevölkerung unserer Erde lebt in Städten und Prognosen gehen von einer weiteren Zunahme des Zuzugs in städtische Gebiete aus. (Groß-)Städte wachsen also ungebrochen, Agglomerationen sind ein weltweit zu beobachtendes Phänomen.
Urbane Räume sind aufgrund verschiedenster Aspekte – etwa Arbeitsplätze, Bildungsmöglichkeiten, kulturelles Angebot, um nur einige wenige zu nennen – ein attraktiver Lebensraum. Gleichzeitig stehen Städte angesichts des Bevölkerungswachstums, des demographischen Wandels oder der Wohnraum- und Ressourcenknappheit vor großen Herausforderungen – insbesondere im Hinblick auf die Planung und Gestaltung des Zusammenlebens auf verschiedenen Ebenen.
Smart City: effizienter durch Digitalisierung?
Das Konzept der sogenannten Smart City wird häufig als möglicher Lösungsansatz für viele dieser Probleme angesehen. „In der ‚Smart City’ sollen die Potenziale digitaler Technologien für die möglichst effiziente Gestaltung des Lebens in Städten genutzt werden, beispielsweise in der Planung von Mobilität, Verwaltung oder Stadtplanung generell“, erklärt der Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler Leonhard Dobusch vom Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck.
Unter dem Begriff lassen sich verschiedene Strategien für eine Digitalisierung von Städten zusammenfassen, die bereits seit den 2000-er Jahren in Pläne für städtische Gebiete einfließen und zahlreichen Digitalisierungsstrategien zu Grunde liegen. Angesichts des raschen technologischen Fortschritts in den letzten Jahren wurde das Thema Digitalisierung für viele große wie kleine Städte zu einem zentralen Anliegen.
Nicht alles lässt sich technisch lösen
Dobusch sieht die in vielen Städten beobachtbaren Entwicklungen eher skeptisch: „Häufig wird davon ausgegangen, dass eine Stadt – wenn man nur über genug Daten verfügt – perfekt planbar ist. Viele Konzepte zeichnen sich durch eine starke Technologiegetriebenheit aus und münden in eine Art technokratische Steuerungsutopie. Das hatten wir schon einmal in den 1960-er Jahren, als eine starke Technologiegläubigkeit vorherrschte, die blutleere Retortenstädte entstehen ließ – Brasilia wäre dafür etwa ein Beispiel.“
Für Dobusch stellt der Smart-City-Diskurs eine digitalisierte Stadt in einer geschlossenen Vision in den Mittelpunkt. „Nicht alle Probleme in Städten lassen sich technisch lösen. An der Stelle sollten auch andere Aspekte berücksichtigt werden: Was bedeutet Urbanität eigentlich? Was macht städtische Lebensräume aus? In einer Stadt sollte auch das Unplanbare Platz haben. Auch unbeobachtete Räume müssen erhalten bleiben“, so der Forscher.
„Gute Stadtplanung sollte Unvollständigkeit aushalten und mit dem Ungeplanten umgehen können. Offenheit kann der Digitalisierung auch in städtischen Kontexten Richtung geben.“ Als Beispiel nennt Dobusch die viel diskutierte Frage der Mobilität gerade in städtischen Räumen: „Ist das Problem des Individualverkehrs – Stichwort Stau und Parkplätze – wirklich ein Problem, das sich aus zu wenigen Daten darüber ergibt? Oder steht der Individualverkehr vielleicht im Gegensatz zur Urbanität?“
Der große Vorteil für Städte: Es gibt lokale, politische Entscheidungsmöglichkeiten. „In etwa 20, 30 Jahren werden wir sehen, welche Städte die Digitalisierung gut gemeistert haben. Meiner Ansicht nach werden das die besonders lebenswerten Städte sein.“
Universität Innsbruck
Stand: 20.04.2018