Die wohl bekannteste Methode zur Altersbestimmung ist die sogenannte Radiokarbonmethode, auch als C14-Kohlenstoffdatierung bezeichnet. Sie basiert darauf, dass das Element Kohlenstoff in der Natur in drei verschiedenen Isotopen – C12, C13, C14 – vorkommt. Auf eine Billion der stabilen Variante mit zwölf Neutronen im Kern kommt dabei nur ein Kohlenstoffkern mit 14 Neutronen. Das C14-Isotop zerfällt mit einer Halbwertszeit von rund 5.730 Jahren zu Stickstoff.
In allen lebenden Organismen bleibt das Verhältnis von C12 zu C14 gleich, weil diese ständig neues, in der Atmosphäre entstehendes C14 über die Atmung aufnehmen. Stirbt das Tier oder die Pflanze aber, kommt kein neues C14 hinzu. Im Laufe der Zeit verschiebt sich daher in seinen Geweben das Gleichgewicht der beiden Kohlenstoff-Isotope noch weiter zugunsten des C12 – und genau dieses Verhältnis ist die Grundlage für die Radiokohlenstoff-Uhr. Das Isotopenverhältnis verrät letztlich, wie lange beispielsweise ein Holzstück, ein fossiler Pflanzenrest oder ein Knochen keinen C14-Nachschub mehr erhalten hat – und damit auch, wie alt es ist. Auch andere kohlenstoffhaltige Materialien können so datiert werden.
Fenster in die Vergangenheit
Der große Vorteil der C14-Uhr: Kohlenstoffhaltige Substanzen kommen sowohl in der belebten wie in der unbelebten Materie häufig vor. Mit ihr lässt sich zudem der Altersbereich zwischen 300 und rund 60.000 Jahren abdecken – und damit ein für die Archäologie und Paläontologie besonders wichtiger Zeitraum. Die Universität Heidelberg war in den 1950er- und 1960er-Jahren zusammen mit den Universitäten von Bern und Groningen eines von drei Zentren in Europa, in denen die Nachweistechnik von C14 mithilfe von Zählrohren, die den Zerfall des Kohlenstoff-Isotops messen, entwickelt und für Datierungen in der Archäologie verfügbar gemacht wurde. Es war die erste Anwendung einer naturwissenschaftlichen Datierungsmethode in der Archäologie. Ihre Ergebnisse führten zu drastischen Umwälzungen, beispielsweise im Zeitgerüst der europäischen Ur- und Frühgeschichte.
Mit der C14-Uhr gelang es dadurch beispielsweise, die vergangenen 50.000 Jahre Menschheitsgeschichte zu überblicken: Die Radiokarbon-Datierung hat unter anderem dabei geholfen zu klären, wann die Neandertaler in Europa ausstarben und wie sich der anatomisch moderne Mensch ausgebreitet hat. Aber auch den Übergang von der letzten Eiszeit in die jetzige Warmzeit, die Entwicklung der Menschen von Jägern und Sammlern zu sesshaften Ackerbauern oder den Beginn der Nutzung von Metallen haben solche Datierungen erhellt.
Vulkanausbruch 100 Jahre später
Heute sind C14-Datierungen fester Bestandteil archäologischer Projekte. Ein jüngeres Beispiel für eine der vielen überraschenden Ergebnisse, die die C14-Methode erbracht hat, ist die Datumskorrektur eines Ereignisses, das sich in der Spätbronzezeit in der Ägäis zutrug: der Vulkanausbruch auf Santorin. Die historische ägyptische Chronologie, die sich auf die Analyse der Chroniken von Dynastien und auf astronomische Daten stützt, nennt als Datum für den Ausbruch des Vulkans etwa das Jahr 1520 vor Christus. Die C14-Methode aber, mit der Objekte analysiert werden konnten, die während des Vulkanausbruchs unter Asche und Gestein begraben waren, kommt zu dem Schluss, dass sich die Eruption ein komplettes Jahrhundert früher ereignet haben muss.
Eine weitere spezielle C14-Methode ist die Radiokohlenstoffdatierung von Grundwasser. Sie wird beispielsweise eingesetzt um herauszufinden, ob es sich bei Trinkwasservorkommen in Nordafrika um eiszeitliche Reserven oder um neu gebildete Gewässer handelt. Ein eher tagesaktueller Einsatz dieser C14-Methode ist die Altersbestimmung von Weinen oder Spirituosen, die Echtheitsprüfung von Kunstobjekten oder der Nachweis von synthetischen Komponenten in angeblichen Bio-Produkten.
Bernd Kober, Bernd Kromer / Ruperto Carola , Universität Heidelberg
Stand: 30.11.2012