Im „Marsianer“ ist der Astronaut Mark Watney Teil einer bemannten Mission, die rund einen Monat lang auf dem Mars leben und arbeiten soll. Doch dann geht alles schief: In einem Staubsturm wird Watney verletzt und von seinen fliehenden Kollegen als tot zurückgelassen. Allein auf dem Roten Planeten und mit komplett zerstörter Kommunikationsanlage ist er völlig auf sich gestellt. Statt der avisierten 30 Tage muss er sich darauf einstellen, vier Jahre, bis zum Eintreffen der nächsten Marsmission zu überstehen.
„Ich habe ursprünglich nur darüber nachgedacht, wie man eine bemannte Marsmission durchführen könnte – ich bin halt ein Nerd“, sagt Weir. „Als der Plan dann detaillierter wurde, habe ich mir vorgestellt, wie es für die Astronauten sein würde. Natürlich denkt man beim Entwerfen einer Mission auch über Katastrophenszenarien nach und wie wahrscheinlich die Crew überleben würde.“ Und an diesem Punkt wurde Weir bewusst, dass dies das Potenzial für eine Geschichte hat.
Wann könnte „Ares-3“ Realität werden?
Wann tatsächlich die ersten Menschen den Mars erreichen werden, ist allerdings eher unklar. Zwar hat die NASA angekündigt, „irgendwann ab 2030“ den Mars als Ziel für bemannte Missionen anzuvisieren. Aber momentan ist der Zeitplan eher schwammig. Immerhin konstatierte US-Präsident Barack Obama 2010 bei einer Rede im Kennedy Space Center der NASA: „Ich glaube, dass wir bis Mitte der 2030 Jahre Menschen in den Orbit des Mars schicken und sie sicher zur Erde zurückbringen werden. Und eine Landung auf dem Mars wird folgen – ich jedenfalls erwarte, dass ich das noch miterleben kann.“
{2r}
Ob sein Wunsch in Erfüllung geht, hängt wohl in erster Linie vom politischen Willen seiner Nachfolger ab. „Ich sage nicht, dass es keine technischen Herausforderungen gibt – es wird eine Menge guter Ingenieure und Wissenschaftler brauchen und viel Hirnschmalz und Forschung“, sagte Bill Nye von der Planetary Society im April 2015 auf einer Tagung. „Aber das wirkliche Problem ist die Politik.“ Oder anders ausgedrückt: die Finanzierung für ein solches Projekt.
Buchautor Andy Weir ist ebenfalls eher skeptisch: „Ich wäre begeistert, Menschen noch zu meiner Lebenszeit auf dem Mars landen zu sehen“, sagt er. „Aber ob ich das für wahrscheinlich halte? Ich bin nicht sicher. Denn im Gegensatz zu den 1960er gibt es heute keinen Wettlauf ins All, daher hat der Marsflug keine hohe Priorität.“
Angelehnt an „Mars Direct“
Im „Marsianer“ hängt das Überleben von Mark Watney nicht zuletzt vom Missionskonzept der Marsflüge ab. Denn der Astronaut weiß, dass 3.200 Kilometer von ihm entfernt schon ein Aufstiegsmodul der nächsten Marsmission steht. Und dass in vier Jahren die nächsten Astronauten ankommen werden. Dieses Szenario ist durchaus realistisch. Denn sowohl die NASA als auch kommerzielle Pläne für eine bemannte Marslandung folgen einem ganz ähnlichen, zweiteiligen Prinzip.
„Das Marsprogramm in meinem Buch ist dem realen Plan des Konzept von Mars Direkt sehr ähnlich“, erklärt Weir. „Es ist meiner Ansicht nach der wahrscheinlichste Weg, auf dem wir unsere erste Marsmission im wirklichen Leben schaffen werden.“ Die wichtigste Maxime des schon 1991 vom Luftfahrt-Ingenieur Robert Zubrin vorgeschlagenen Mars Direct-Programms ist es, möglichst wenig Ressourcen von der Erde mitzubringen und so viel wie möglich vor Ort, auf dem Mars selbst, zu erzeugen.
Unbemannte Vorhut
Allerdings kommt auch eine bemannte Mission nach dem Mars Direct-Prinzip nicht ohne eine ganze Vorhut von unbemannten Landesonden aus. Nach den Plänen der NASA sollen ähnlich wie im „Marsianer“ schon vier Jahre vor Ankunft der ersten Menschen unbemannte Sonden damit beginnen, Bauteile wie das Habitat, Vorräte für Aufenthalt und Rückflug und die Rover zum Roten Planeten zu bringen.
Auch das „Mars Ascent Vehicle“ (MAV) wird schon vier Jahre im Voraus zum Mars geschickt. Diese Kreuzung aus Landeeinheit, Fabrik und Rakete ist der „Rückfahrtschein“ für Mark Watney und auch die zukünftigen realen Marsastronauten. Denn nur mit ihm können sie von der Marsoberfläche in den Orbit zum wartenden Raumschiff für die Rückkehr zur Erde gelangen. Die entscheidende Rolle der MAVs im „Marsianer“ ist daher durchaus realistisch.
In zwei Etappen zum Mars
Das MAV bleibt bis zur Ankunft der Astronauten keineswegs untätig: Angetrieben durch einen nuklearen Minireaktor, beginnt es, Treibstoff aus mitgebrachtem flüssigen Wasserstoff und dem in der Marsatmosphäre enthaltenen Kohlendioxid zu synthetisieren – weil dieser Prozess ziemlich lange dauert, wird dieser Vorlauf benötigt. Nach den Plänen der NASA soll diese „Fabrik“ zudem Gase für die Lebenserhaltungssysteme herstellen, außerdem Treibstoff für die Rover.
Erst nachdem die wichtigste Infrastruktur und lebenswichtige Systeme auf dem Mars sind, starten auch die Astronauten. Ihr Raumschiff besteht im „Marsianer“ aus einem Mutterschiff, das den Transport von der Erde bis in den Marsorbit übernimmt und einer Landeeinheit, die die Astronauten vom Marsorbit auf die Marsoberfläche hinunterbringt. Ähnliches plant auch die NASA. Zur gleichen Zeit fliegt auch schon das MAV für die vier Jahre später folgende nächste bemannte Mission zum Mars. Im „Marsianer“ bedeutet dieses MAV für Watney die Rettung. Die Katastrophen und Probleme, die er bis dahin durchstehen muss, wird allerdings hoffentlich kein künftiger Astronaut erleben müssen…
Nadja Podbregar
Stand: 08.10.2015