Ökologie

Die Mikroben, die aus der Kälte kamen…

Micky Maus, Klingonen und drei Kilometer Eis

Die Antarktis ist der lebensfeindlichste und artenärmste Kontinent der Erde. Die wenigen Tier- und Pflanzenarten, die dem eisigen Klima trotzen können, finden sich in den etwas milderen Küstenregionen. Das Innere des Kontinents ist unbewohnt und unbewohnbar – glaubte man. Aber 1999 mussten sich die Wissenschaftler eines Besseren belehren lassen: Mehr als 3.600 Meter unterhalb der Eisoberfläche fanden Forscher Bakterienkolonien.

Lake Vostok - See unter dem Eis © NASA

Die resistenten Mikroben steckten in mindestens 420.000 Jahre altem Eis knapp über der Oberfläche eines riesigen Sees aus flüssigem Wasser. Der „Lake Vostok“ getaufte See ist mit einer Ausdehnung von 14.000 Quadratmetern der größte bekannte „untereisische“ See der Welt. Erst 1996 hatten Satellitenbilder seine Ausmaße gezeigt. Forscher vermuten, dass der See in einer wärmeren Klimaperiode entstand und dann Millionen Jahre lang durch die wachsende Eisschicht von der Oberfläche abgeschnitten war.

Um eine Kontamination dieses einzigartigen Evolutionszeugnisses zu verhindern, ist eine direkte Bohrung bis in das Wasser des Sees bisher verboten. Proben dürfen nur aus den Eisschichten direkt über der Wasseroberfläche entnommen werden. Und in eben solchen Proben entdeckten Sabit Abyzov, Professor der russischen Akademie der Wissenschaften und sein Team einzellige Pilze, Algen und Bakterien- aber nicht nur das: „Wir haben einige wirklich bizarre Dinge aufgespürt, Dinge, die wir niemals vorher gesehen haben.“, beschreibt Richard Hoover, ein am Projekt beteiligter NASA-Biologe, die Funde.

Antarktisches Bakterium "Klingon" © NASA

Die rätselhaften Mikroorganismen erhielten erst einmal Spitznamen wie Klingone, Micky Mouse oder Sphere, bis sie den bekannten Kategorien zugeordnet werden können. Wie haben es diese Organismen geschafft zu überleben? Tausende von Metern unter der Erde und von Licht und Wärme abgeschlossen, können sie keine der üblichen Energiequellen für ihren Stoffwechsel nutzen. Versuche mit einigen der aus dem Eis isolierten Bakterien zeigten, dass sie über eine zwar reduzierte aber funktionierende Stoffwechselaktivität verfügen – sie leben also tatsächlich und sind nicht, wie man anfangs glaubte, nur tiefgefrorene Relikte früherer Lebensformen.

Noch sind die Wissenschaftler auf der Suche nach dem Geheimnis dieser Eismikroben. Eine Antwort auf die Frage nach dem „Wie?“ könnte auch völlig neue Perspektiven für eine andere Wissenschaftsdisziplin eröffnen: Astrobiologen, die sich mit der Möglichkeit von Leben außerhalb der Erde beschäftigen, verfolgen die Ergebnisse der Studien am Lake Vostok mit Hochspannung. Wenn hier auf der Erde Mikroben ohne Licht und in extremer Kälte überleben können, warum nicht auch auf anderen Himmelskörpern? Unter der Eiskruste des Jupitermondes Europa vermutet man beispielsweise die Existenz eines „untereisischen“ Gewässers ähnlich dem Lake Vostok und auch im dauergefrorenen Boden des Mars könnte sich eine Suche nach Organismen vielleicht doch noch lohnen…

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Stand: 26.05.2001

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Extremophile
Grenzgänger im Reich der Kleinsten

Überlebenskünstler unter den Mikroben
Dem Geheimnis der Extremophilen auf der Spur

Who's Who der Extremophilen
Rekordhalter in der Welt der kleinsten Wesen

Brodelndes Inferno statt lauer Ursuppe?
Am Beginn der Evolution steht ein Fragezeichen

Arche Noah unter der Erde?
Sind Extremophile die letzten Überlebenden der Urorganismen?

Manche mögen's heiß...
Die Entdeckung einer biologischen Unmöglichkeit

Wo sind die Grenzen des Lebens?
Rätsel um die Tricks der Thermophilen

Thermophile als CO2-Filter
Wenn Algen in Schornsteinen wachsen...

Thermus aquaticus und die PCR
Späte Biotech-Karriere eines "Wunderorganismus"

"Conan" das Bakterium
Die wahrscheinlich widerstandfähigste Mikrobe der Welt

Auf der Suche nach dem Trick der "Superbugs"
"Rettungsringe" als Geheimnis des Erfolges?

"Conan" als Sanierungshelfer
Strahlenresistente Mikrobe zum biologischen Abbau von radioaktivem Müll gesucht...

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Die Giftfresser von Idaho
Lieblingsspeise: Hochgiftige Chromverbindungen

Metall-Pyranhas im Vitriol-Fluss
Leben in Säure und Schwermetallen

Kleiner als die Natur erlaubt?
Streit um die Existenz der Nanobakterien

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