Die entscheidende Frage in der Attributionsforschung ist, ob der Klimawandel zu einem Ereignis beigetragen hat. Hat er Schuld, wenn beispielsweise eine Hitzewelle oder eine Flutkatastrophe inzwischen deutlich häufiger in einem Gebiet vorkommt als es früher der Fall war? Um das herauszufinden, folgt nach Definition der Parameter und Auswertung der historischen Wetterdaten nun der dritte Schritt in der Attribution: die Modellierung.
Die Wahl der passenden Klimamodelle
Dafür nutzen die Forschenden mehrere verschiedene Klimamodelle, um das Klima- und Wettergeschehen für die betroffene Region zu rekonstruieren. Zunächst prüfen sie dabei, ob die betreffenden Modelle geeignet sind, um das Geschehen präzise und korrekt abbilden können. „Ein Modell mit einer Auflösung von 200 Kilometern kann einen tropischen Zyklon mit 25-Kilometer großen Strukturen oder ein Gewitter von nur wenigen Kilometern Ausdehnung nicht repräsentieren“, erklären Sjoukje Philip vom Königlich Niederländischen Meteorologieinstitut und ihre Kollegen.
Umgekehrt kann ein nur lokales oder regionales Modell großräumige atmosphärische Prozesse nur in Teilen erfassen. Wichtige Einflussfaktoren für ein Extremereignis könnten daher fehlen. Auf ähnliche Weise muss auch die zeitliche Auflösung eines Klimamodells passen: Kann es kurzfristige Veränderungen wie ein Gewitter abbilden oder aber die langfristigen Wetterlagen, die zu einer Dürre führen?
Die Simulationen
Ist dies geklärt und der passende Satz an Klimamodellen ausgewählt, folgen die Simulationen. Dabei wird das Klima- und Wettergeschehen zunächst tausende Male unter den tatsächlich herrschenden Bedingungen inklusive der Treibhausgas-Werte und der globalen Erwärmung rekonstruiert. „Vereinfacht gesagt lässt man auf den Computern immer und immer wieder dieselben Klimamodelle mit ganz leicht veränderten Ausgangsbedingungen durchlaufen“, beschreiben Ben Clarke und Friederike Otto von der World Weather Attribution Initiative (WWAI) das Prinzip.
Wurden Modelle und Parameter korrekt ausgewählt, spiegeln die Simulationen zumindest in einigen Durchgängen das tatsächliche, in den Beobachtungsdaten messbare Wettergeschehen wider – die Hitzewelle oder der Starkregen treten wie in der Realität beobachtet auf. Wie oft dies der Fall ist, spiegelt dann wider, wie wahrscheinlich das Auftreten dieses Wetterextrems unter den gegenwärtigen Bedingungen ist.
Dann folgt die Vergleichssimulation. Diese wird mit den gleichen Klimamodellen und Ausgangsparametern durchgeführt – mit einer Ausnahme: Statt der aktuellen Konzentrationen von Treibhausgasen und anthropogenen Aerosolen in der Atmosphäre bekommt das Modell für diese Parameter präindustrielle Werte. Die Simulation zeigt damit, wie sich das Wetter entwickeln würde, wenn es den anthropogenen Klimawandel nicht gäbe.
Die Zuschreibung
Im nächsten Schritt vergleichen die Klimaforscher nun die Ergebnisse beider Simulationssätze: Tritt das Wetterextrem im Modellsatz ohne gestiegene Treibhausgaswerte seltener auf als unter den realen, vom Klimawandel geprägten Bedingungen? Oder wäre es ohne Klimawandel möglicherweise weniger stark ausgeprägt? Lassen sich diese Fragen mit Ja beantworten, liegt der Schluss nahe, dass der Klimawandel an der untersuchten Hitzewelle, Dürre oder Starkregenphase zumindest in Teilen beteiligt war.
Ein Beispiel dafür ist die Flutkatastrophe an der Ahr und Erft von 2021: Nach Analysen von Otto und ihre Kollegen von der World Weather Attribution Initiative kommt ein Starkregen dieses Ausmaßes in dieser Gegend im Schnitt nur alle 400 Jahre einmal vor. Die globale Erwärmung hat die Wahrscheinlichkeit jedoch bereits um 1,2 bis neun Prozent erhöht. Die Intensität der Niederschläge für das Eintagesmaximum wurde um drei bis 19 Prozent erhöht, wie die Attributionsforscher berichteten. Der Klimawandel hat demnach zu diesem Extremereignis beigetragen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Otto und ihre Kollegen für die Hitzewelle, die Großbritannien Mitte Juli 2022 erstmals Temperaturen von mehr als 40 Grad bescherte. Demnach hat der Klimawandel ein solches Hitzeextrem rund zehnmal wahrscheinlicher gemacht. Ohne die aktuelle globale Erwärmung von rund 1,2 Grad wären Temperaturen bei dieser Hitzewelle zudem rund zwei Grad niedriger gewesen.
Nicht immer ist der Klimawandel schuld
Es kann aber auch sein, dass sich bei der Auswertung keine Unterschiede zwischen den Modellvarianten zeigen. Dann kann das Ereignis nicht eindeutig dem Klimawandel zugeschrieben werden. „Wenn das der Fall ist, dann könnten die Wetterextreme von äußeren Faktoren beeinflusst worden sein, die nicht in den Klimamodellen erfasst wurden, oder die Modelle repräsentieren die Mechanismen hinter den Wetterextremen nicht korrekt“, erklären Philip und ihre Kollegen.
Dies war beispielsweise bei der Dürre in Äthiopien im Jahr 2015 der Fall. Obwohl die Attributionsanalysen ergaben, dass es sich dabei um ein außergewöhnliches Extremereignis handelte, ließ sich diese spezielle Dürre nicht eindeutig auf den Klimawandel als ausschlagendem Faktor zurückführen. Das Ereignis trat in beiden Modellsätzen mit ähnlicher Schwankungsbreite auf. Ähnliches galt für eine schwere Überschwemmung in Bangladesch im August 2017. Auch für sie konnten Klimaforscher nicht eindeutig klären, ob der auslösende Starkregen durch den Klimawandel verstärkt worden war.