Der 16. Oktober 2017 hätte ein Tag des vollkommenen Triumphs für den theoretischen
Astrophysiker Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt sein können. Denn an diesem Tag gaben Forschende des US-Gravitationswellenobservatoriums LIGO und des europäischen Detektors Virgo bekannt, dass sie erneut Gravitationswellen – gewaltige Erschütterungen des Raum-Zeit-Gefüges – aus der Tiefe des Weltalls aufgezeichnet hatten.
Raumzeit-Erschütterung der anderen Art
Im Unterschied zu den zuvor aufgezeichneten Gravitationswellen ging dieses Ereignis jedoch nicht auf zwei verschmelzende Schwarze Löcher zurück. Stattdessen empfingen die Gravitationswellen-Observatorien im Oktober 2017 erstmals die Raumzeit-Erschütterungen von zwei kollidierenden Neutronensternen. Diese entstehen ebenfalls bei der Supernova massereicher Sterne und sind nach Schwarzen Löchern die wahrscheinlich kompaktesten Objekte im Universum.
In Neutronensternen ist die Masse unserer Sonne auf eine Kugel vom Durchmesser einer Großstadt zusammengepresst. Unter dem enormen Druck der komprimierten Masse werden selbst Atome und Atomkerne aufgelöst und ihr Inneres besteht hauptsächlich aus Neutronen. Wenn in einem Doppelsternsystem beide Partner zu Neutronensternen werden oder ein Neutronenstern bei der Supernova seines Vorgängersterns aus der Bahn geschleudert wird, können sich zwei Neutronensterne begegnen.
Wenn Sternenreste kollidieren
Kommen sich die beiden Neutronensterne – mit der passenden Geschwindigkeit – zu nahe, beginnen sie einen tödlichen Tanz: Sie umkreisen einander in einer sich immer enger ziehenden Spirale, an deren Ende beide Partner miteinander kollidieren und verschmelzen. Dabei entsteht zunächst eine Art „Mega-Neutronenstern“ bevor dieser zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Bei diesem Ereignis wird Energie in Form von Gravitationswellen frei. Diese Erschütterungen der Raumzeit sind dann selbst Millionen Lichtjahre entfernt auf der Erde noch messbar.
Schon im Jahr 2010 hatten Luciano Rezzolla und andere Forschende solche Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen in aufwendigen theoretischen Berechnungen prognostiziert. Basis dafür war Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, auf deren Grundlage Einstein schon vor mehr als 100 Jahren die Existenz von Gravitationswellen postuliert hatte. Mit dem Ereignis vom 16. Oktober 2017 gab es endlich Messdaten, die diese theoretischen Modelle bestätigten.
Ein kleiner Schatten dämpfte Rezzollas Freude allerdings: Nur zwei Wochen vor jenem 16. Oktober war sein aufwendiger Forschungsantrag gescheitert, mit dessen Hilfe er ein großes Projekt zur Neutronensternforschung hätte starten können. Der Grund: Die Gutachterinnen und Gutachter hielten es für extrem unwahrscheinlich, dass man in naher Zukunft die Gravitationswellen kollidierender Neutronensterne würde messen können. „Recht unglücklich“, findet Rezzolla – hätten die Verfasser des Gutachtens nur ein wenig mehr Optimismus an den Tag gelegt!