Erstmals in der Geschichte bricht ein Forscher auf, die neue Welt mit einer rein wissenschaftlichen Expedition bis tief in ihr Inneres zu erkunden. Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland stechen am 5. Juni 1799 mit der „Pizarro“ Richtung Südamerika in See. Humboldt reist dabei wie ein Privatmann. Er mietet sich für die Überfahrt mit Bonpland und seiner Ausrüstung auf dem Schiff ein. Die Messinstrumente, Nachschlagewerke und persönlichen Vorstudien sind sicher in Kisten verpackt. Er führt so wenig Ausrüstung wie möglich mit sich, weil er sie quer durch den Dschungel problemlos mitnehmen will.
Von La Coruña segelt die „Pizarro“ zunächst nach Teneriffa. Dort trifft Humboldt seine letzten Vorbereitungen. 3.716 Meter: Fast auf den Meter genau bestimmt Humboldt 1799 die Höhe des Vulkans Teide. Während der 41 Tage zur Überquerung des Atlantik, gibt Humboldt sich ganz den neuen Erlebnissen hin. Je näher sie dem Äquator kommen, desto mehr ist er fasziniert von den südlichen Sternenbildern, und fühlt sich erst unter dem fremden Himmel endlich auf seiner Reise ins Unbekannte.
Die neue Welt
Am 16. Juli 1799 landet das Schiff in Venezuela. Humboldt ist völlig begeistert: „Welche Bäume! Kokospalmen, 50-60 Fuß hoch! Poinciana pulcherrima, mit Fuß hohem Strauße der prachtvollsten hochrothen Blüthen. Bonpland versichert, das er von Sinnen kommen werde, wenn die Wunder nicht bald aufhören“, schreibt Alexander in einem Brief an seinen Bruder. Bis Februar richten sich die beiden in Caracas ein, um sich an das Klima zu gewöhnen, mit europäischen Siedlern zu sprechen und erste einfache Untersuchungen an Pflanzen und Tieren durchzuführen.
Im Frühjahr bricht Humboldt auf seine erste Flussexkursion ins Landesinnere auf. Die Expeditionsgruppe hält er klein und mobil. Außer Bonpland begleiten ihn nur Indianer als Dolmetscher, Bergführer oder Träger, die er in jeder Region neu anwirbt. Er verlädt seine Ausrüstung in Kanus und macht sich auf den Weg, den Orinoko aufwärts. Jede Biegung des Flusses vermisst er und kartiert alles von der Mündung bis zur Quelle. An den Ufern beobachtet er verschiedene Indianerstämme, von denen er besonders die Chaimas studiert. Seine Beobachtungen über ihr Aussehen und ihre Sprache führen ihn später zu der Vermutung, dass sie verwandt mit dem Stamm der Tamanacu flussabwärts sind. Die Worte für Ich „Ure“ und Wasser „Tuna“ sind gleich, wogegen sich die Worte „Canopo“ und „Canepo“ für Regen nur unwesentlich unterscheiden.
Mithilfe der Indianer an der Mündung des Casiquare lüftet Humboldt als erster das Rätsel um das berüchtigte Pfeilgift Curare. Er klassifiziert die Pflanze, dokumentiert die Herstellung und lässt sich die Wirkung des Giftes von den Indianern erklären. Jedoch für die Behauptung der Indios, dass Gift wirke nur in direktem Kontakt mit Blut, will er einen Beweis: Er schluckt einen Trank aus Curare – und überlebt.