Der Friede des Vandalen-Reichs mit Rom währt nicht lange: Im März 455 wird der römische Kaiser Valentinian III. ermordet. Nachfolger ist Petronius Maximus, der um seinen Machtanspruch zu sichern, Valentinians Witwe heiratet und dessen Tochter Eudocia mit seinem Sohn vermählt. Damit jedoch bricht er den Friedenvertrag mit den Vandalen, denn Eudocia war darin dem Vandalenprinzen Hunerich versprochen worden.
Marsch auf Rom
Für den Vandalenkönig Geiserich ist dies ein – möglicherweise durchaus willkommener – Anlass, erneut einen Krieg mit dem römischen Imperium zu beginnen. Unter dem Vorwand, die rechtmäßige Nachfolge Valentinians sichern zu wollen, rüstet er seine Flotte aus und nimmt mit seinen Truppen Kurs auf Rom. Anfang Juni erreicht das Vandalenheer die römische Kaiserstadt.
Der Überlieferung nach kommt es dabei zu einem entscheidenden Treffen zwischen Geiserich und dem damaligen Papst Leo dem Großen. Dieser bietet Geiserich an, ihm die Tore Roms zu öffnen, wenn dieser auf Blutvergießen verzichtet und die Stadt nur plündert. Der Vandalenkönig willigt ein und nimmt Rom nahezu kampflos ein. 14 Tage lang ziehen seine Truppen anschließend plündernd durch die römische Hauptstadt.
Kein „Vandalismus“
Die Vandalen sammeln systematisch alle Wertgegenstände ein, derer sie habhaft werden können: „Sie luden eine immer größer werdende Menge Goldes und andere kaiserliche Schätze auf ihre Schiffe und ließen weder Bronzen noch anderes im Palast. Außerdem plünderten sie den Tempel des Jupiter Capitolinus und trugen dessen halbes Dach ab“, berichtet der römische Geschichtsschreiber Prokopios. Das Dach dieses Jupitertempels bestand aus dick vergoldeter Bronze und war entsprechend kostbar. Auch Teile des jüdischen Tempelschatzes, den die Römer zuvor aus Jerusalem geraubt hatten, sackten die Vandalen ein.
Obwohl gerade dieser Raubzug später gerne als Beispiel für den Vandalismus dieser „Barbaren“ zitiert wird, verhalten sich die Vandalen besser als ihr Ruf. Bis auf das abmontierte Tempeldach hinterlassen sie kaum Zerstörungen oder Schäden. „Es mag verblüffend klingen, aber die Vandalen waren keine Vandalen“, sagt der Historiker Roland Steinacher. „Basierend auf wissenschaftlichen Fakten waren die Vandalen kultivierte Eroberer und nicht zerstörungswütiger als viele andere Völkergruppen auch.“
Imperiale Symbole und kaiserliche Verwandtschaft
Doch den Vandalen unter ihren politisch geschickten König Geiserich geht es um mehr als nur die römischen Reichtümer. Indem sie viele prestigeträchtige Symbole imperialer Macht aus Rom nach Karthago bringen, unterstreichen sie auch ihren Herrschaftsanspruch, wie Steinacher erklärt. Geiserich bringt zudem die Kaisertochter Eudocia mit nach Karthago und vermählt sie dort mit seinem Sohn Hunerich – wie ursprünglich im Friedensvertrag mit Rom vereinbart. Dadurch sind die Nachkommen Hunerichs und Eudocias offizielle Erben des römischen Kaiserreichs und haben theoretisch sogar Anspruch auf die Herrschaft.
Nach ihrem Sieg über Rom sind die Vandalen auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Ihre Flotte kontrolliert weite Teile des Mittelmeers und den Handel mit Waren aus Nordafrika. Die Königsfamilie lebt in Karthago in dem mit römischen Schätzen ausgeschmückten Palast des ehemaligen Prokonsuls. „Der Vandalenkönig dürfte imperialen Purpur getragen haben und sein Königreich von einem Thronsessel aus regiert haben“, berichtet Steinacher.
Nadja Podbregar
Stand: 20.07.2018