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Klima

Die Pumpe schwächelt

Warum die AMOC langsamer wird

Die große Umwälzströmung im Nordatlantik ist ein sich selbst erhaltendes System – bisher jedenfalls. Abkühlung und Salzgehalt des Meerwassers im hohen Norden sorgen dafür, dass das Oberflächenwasser in die Tiefe sinkt und abfließt. Das wiederum erzeugt den Sog, der das warme Oberflächenwasser aus südlichen Gefilden heranbringt – ein perfekt austariertes Gleichgewicht.

Gletscherfront
Gletscherfront in Grönland – das Schmelzwasser der Gletscher beeinträchtigt die Atlantische Umwälzpumpe.© Explora2005/ Getty images

„Süße“ Barriereschicht

Doch was passiert, wenn dieses Gleichgewicht aus der Balance gerät? Wie stabil ist der für das Klima Europas so wichtige Nordatlantikstrom? Diese Frage beschäftigt Klimaforscher und Ozeanologen schon seit Jahrzehnten. Schon in den 1990er Jahre gab es erste Hinweise darauf, dass vor allem zwei Faktoren die Stabilität der großen Umwälzpumpe gefährden können: steigende Temperaturen im hohen Norden und arktisches Schmelzwasser.

Der Grund: Wird es in der Arktis wärmer, tauen die Gletscher Grönlands und Nordamerikas schneller und es entsteht mehr Schmelzwasser. Dieses Süßwasser strömt in Meer und legt sich dort wegen seiner geringeren Dichte über das von Süden heranströmende wärmere, salzige Meerwasser. Es bildet sich so eine stabile Barriereschicht, die die Abkühlung des Oberflächenwassers behindert. Als Folge sinkt dieses Wasser nicht mehr ab und die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC) stockt und schwächelt.

Sedimentbohrkerne
Sedimentbohrkerne aus dem Atlantik können Informationen über vergangene Schwächezeiten der Umwälzströmung liefern. © Institut für Geowissenschaften/ Universität Kiel

Stotternde Pumpe

Wie ein solches Schwächeln und Stocken aussehen kann, zeigen Sedimentbohrkerne aus dem Nordatlantik, deren Schichten bis weit in das Eiszeitalter zurückreichen. In den Kalkschalen winziger Meeresbewohner, den Foraminiferen, verraten die Isotopengehalte verschiedener Elemente, wie warm, salzig und sauerstoffhaltig das Meerwasser in den kalten und wärmeren Perioden der Eiszeiten war. Analysen zeigen: In mehreren warmen Zwischeneiszeiten sank die Pumpleistung der atlantischen Umwälzströmung deutlich und stoppte zwischendurch immer wieder fast komplett.

Eine dieser Schwächephasen ereignete sich nach Ende der letzten Eiszeit vor rund 8.000 Jahren, als ein gigantischer Schmelzwassersee auslief und einen enormen Schwall Süßwasser in den Nordatlantik ergoss. Auch in anderen Zeiten vermehrter Eisschmelze schwächte sich die Umwälzpumpe ab. „Diese Störungen der Zirkulation waren zwar jeweils nur kurzlebig – sie dauerten vielleicht ein Jahrhundert oder wenig mehr“, berichtet Yair Rosenthal von der Rutgers University. Doch in zwei Zwischeneiszeiten gab es auch Perioden abgeschwächter Umwälzströmung, die bis zu 3.000 Jahre anhielten.

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Und auch der aktuelle Klimawandel zeigt erste beobachtbare Folgen: Weil die arktischen Gletscher durch die überproportional starke Erwärmung der Nordpolarregion abtauen, strömt inzwischen immer mehr Schmelzwasser in den Nordatlantik. Nach besonders warmen Sommern mit hohem Einstrom dieses Wassers haben Meeresforscher schon mehrfach eine signifikante Abschwächung der Umwälzpumpe vor Grönland detektiert: Es sinkt dort weniger Oberflächenwasser in die Tiefe als normal.

Meereisfläche im Juli 2024
Der zunehmende Rückgang des arktischen Meereises wirkt sich ebenfalls negativ auf die AMOC aus. Hier der Tagesstand Ende Juli 2024 – lange vor dem sommerlichen Meereisminimum.© www.meereisportal.de

Meereis als zweiter Faktor

Doch Schmelzwasser ist nicht der einzige Faktor, der die Umwälzströmung gefährdet: 2015 entdeckten Kent Moore von der University of Toronto und seine Kollegen, dass auch die Ausdehnung des Meereises eine wichtige Rolle spielt. Denn am Rand dieser über dem arktischen Ozean liegenden Eisfläche kühlt sich das von Süden heranströmende Oberflächenwasser besonders effektiv ab. „Die Wärmeabgabe ist am Eisrand am größten, weil dort die kalte arktische Luft erstmals auf das wärmere Oberflächenwasser trifft“, erklären Moore und sein Team.

Das Problem jedoch: Der Klimawandel lässt das arktische Meereis schwinden. Die nach dem Polarsommer verbliebene Meereisfläche wird immer kleiner und selbst im Winter regeneriert sich dieser schwimmende Eispanzer nur noch unvollständig, wie Satellitendaten und Messungen vor Ort belegen. Das hat Folgen auch für das sensible Gleichgewicht der Umwälzpumpe, wie Moore und sein Team festgestellt haben: Seit 1979 hat sich der Wärmeaustausch zwischen Meer und Atmosphäre im Nordpolarmeer um rund 20 Prozent verringert. Als Folge kühlt sich das warme Meerwasser nicht mehr so stark ab und sinkt langsamer in die Tiefe – die Umwälzpumpe schwächelt.

15 Prozent langsamer als noch vor 150 Jahren

Wie stark diese Abschwächung der AMOC inzwischen ist, haben Forschungsteams unter anderem 2018 genauer beziffert. Als Anzeiger dafür nutzten sie sowohl Messdaten der nordatlantischen Meerestemperaturen von 1870 bis 2016 als auch Sedimentproben vom Meeresgrund, aus denen sie die Intensität der Tiefenströmung ablesen konnten. Das Ergebnis: „Unsere kombinierten Daten deuten darauf hin, dass die Umwälzströmung in den letzten 150 Jahren immer schwächer geworden ist – um etwa 15 bis 20 Prozent“, berichtet David Thornalley vom University College London.

„In absoluten Zahlen bedeutet das eine Abschwächung der Strömung um drei Millionen Kubikmeter pro Sekunde – eine Menge, die dem Dreifachen des Abflusses aller Flüsse der Erde zusammen entspricht“, erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Sein Team hat dies 2021 anhand von gleich neun verschiedenen Anzeigern bestätigt.

Demnach ist aktuelle Abschwächung der Atlantischen Umwälzströmung beispiellos: Nie zuvor in den letzten gut tausend Jahren hat sich die Strömung so stark verlangsamt wie zurzeit, wie Rahmstorf und seine Kollegen erklären. In neun der elf betrachteten Datensätze war die moderne AMOC-Schwächung demnach statistisch signifikant.

Was aber bedeutet dies für die Zukunft?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Kippt der Nordatlantikstrom?
Wie gefährdet ist die "Fernheizung Europas"?

Das Förderband des Meeres
Wie ein Strömungssystem unser Klima prägt

Die Pumpe schwächelt
Warum die AMOC langsamer wird

Die Frage des Kipppunkts
Droht ein Ausfall der Umwälzpumpe?

Was wäre wenn…
Welche Folgen hätte ein Ausfall der "Fernheizung"?

Wie akut ist die Lage?
Der Streit um das "Wann" des AMOC-Kipppunkts

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