„Minos nämlich war der erste, von dem wir Kunde haben, dass er eine Flotte besaß, die das heute hellenische Meer weithin beherrschte (…). Auch von den Seeräubern reinigte er vermutlich das Meer nach Kräften, um seine Einkünfte zu verbessern.“ Mit diesen Worten bewahrte Thukydides in der Einleitung seiner Geschichte des Peloponnesischen Krieges die griechische Erinnerung an eine ferne Vergangenheit, in welcher der legendäre kretische König Minos über die gesamte Ägäis herrschte. Erst die moderne archäologische Erforschung der Region konnte auf eindrucksvolle Weise nachweisen, dass Thukydides’ Beschreibung einen historischen Kern besitzt.
Meer war Motor der minoischen Kultur
Während der Mittleren und Späten Bronzezeit (circa bis 1500 v. Chr.) entwickelte sich auf der südlichsten europäischen Insel eine Hochkultur, deren Strahlkraft nicht nur die Ägäis, sondern auch Regionen des östlichen Mittelmeers erfasste. Eine Schlüsselrolle in diesem historischen Prozess spielte zweifellos die maritime Aktivität dieser Inselgesellschaft, die Archäologen – nach dem Namen des legendären Königs – als „minoisch“ bezeichnen.
Die günstige geographische Lage der Insel und viele archäologische Zeugnisse der intensiven Außenbeziehungen zeigen, dass das Meer der treibende Motor der wirtschaftlichen und kulturellen Erfolgsgeschichte der minoischen Kultur war.
Trotz der unbestrittenen Bedeutung des Seewesens ist es bis heute äußerst schwierig gewesen, die Voraussetzungen, Entwicklungsstadien und Mechanismen der minoischen maritimen Höchstleistungen zu erklären. Eine ungünstige Überlieferungs- und Publikationslage und das Fehlen einer wissenschaftlichen Systematik zum Auswerten des Materials führten lediglich zu allgemeinen Beobachtungen, die in der Regel um die Fragen der Schiffsgröße und des Schiffantriebs kreisten.