Evolution

Die Rote Königin

Sex als Hilfe gegen Parasiten und Erreger

Bisher scheint belegt, dass Sex und die damit verbundenen Neukombination von Merkmalen die Anpassung von Organismen an neue Umwelten erleichtern kann. Doch das allein reicht nicht aus, um den Erfolg der sexuellen Reproduktion im Organismenreich zu erklären: Warum pflanzen sich auch die Pflanzen und Tiere geschlechtlich fort, die seit Jahrmillionen unter stabilen Bedingungen leben?

Rote Königin
Die Metapher der Red Queen bezieht sich in der Biologie auf den Wettlauf gegen Konkurrenten, Parasiten und Pathogene. © rodjulian/ Getty images

Eine mögliche Erklärung liefert die Red-Queen-Hypothese – benannt nach der Figur aus „Alice hinter den Spiegeln“. Diese erklärt Alice in Lewis Carrolls Buch: „Hierzulande musst du so schnell rennen wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“ Übertragen auf die Evolutionsbiologie soll dies dies den ständigen Wettlauf zwischen Räuber und Beute, Parasiten und Wirten oder auch Krankheitserregern und ihren Wirten illustrieren.

Bessere Chancen im evolutionären Wettstreit

Und auch an diesem Punkt kommt der Sex ins Spiel: „Sich geschlechtlich vermehrende Organismen mischen ihre Gene während der Bildung der Keimzellen und bei der Verschmelzung des Erbguts zweier Individuen“, erklärt Deanna Soper von der University of Iowa. „Weil ihre Nachkommen dadurch auch neue, ungewöhnliche Genkombinationen entwickeln, kann ihnen dies helfen, einer Infektion zu entgehen.“

Im Falle einer Epidemie beispielsweise kann die größere genetische Variabilität dazu führen, dass einige Individuen von Natur aus bessere Abwehrkräfte gegen den Erreger haben oder dass sie komplett resistent sind. Dadurch können sie überleben und die Spezies weiterführen. Bei einer asexuellen Population hingegen stammen die Individuen oft von wenigen Ausgangsexemplaren ab und sind daher genetisch weitgehend identisch. Sind sie für die Infektion anfällig, kann ein Erreger im Extremfall die gesamte Population dahinraffen.

Süßwasserschnecken gegen Saugwürmer

Soper und ihr Team haben diese Hypothese an der Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum) überprüft. Diese Süßwasserschnecke kann sich sexuell und asexuell vermehren, bevorzugt unter den meisten Bedingungen aber die Parthenogenese – die Fortpflanzung ohne Männchen. In ihrem Experiment setzte das Team diese Schnecken einem parasitischen Saugwurm aus, dessen Larven sich nach drei Monaten in den Schnecken entwickeln. Diese werden dadurch unfruchtbar.

Potamopyrgus antipodarum
Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum) © Dan Gustafson/ US Fish and Wildlife Service,
CC-by-sa 2.0

Es zeigte sich: Schon die Präsenz der Saugwürmer im Becken reichte, um das Fortpflanzungsverhalten der Schnecken zu verändern: „Die Parasiten bewirkten einen Anstieg der sexuellen Paarungen und der Promiskuität unter den Schnecken“, berichtet Soper. „Die genetische Rekombination und die multiplen Paarungen wiederum erhöhen die genetische Diversität und können so die Resistenz der Nachkommen gegen den Parasiten stärken.“ Nach Ansicht des Forschungsteams könnte dies ein Indiz für die Gültigkeit der Red-Queen-Hypothese sein.

Sex hilft Primeln gegen Mehltau

Auch im Pflanzenreich finden sich Beispiele für Arten, die durch die sexuelle Vermehrung besser gegen Krankheitserreger und Parasiten gewappnet sind. Ein Team um Erika Hersch-Green von der Michigan Technological University hat dies an Primeln und ihrer Widerstandskraft gegen Mehltau untersucht. Wie sie feststellten, waren die Primelarten, die sich rein asexuell fortpflanzen, anfälliger für den Befall durch den Pilz als die Linien mit sexueller Reproduktion.

Als Ursache dafür identifizierten die Forschenden die größere Variantenvielfalt eines für die Pilzabwehr wichtigen Gens. Während die asexuellen Primelarten die ursprüngliche, wenig optimierte Version dieses Gens beibehielten, hatten die sexuellen Arten durch die genetische Rekombination mehrere optimierte, besser schützende Genvarianten entwickelt. „Das stimmt mit der Hypothese überein, dass Sex den Organismen evolutionäre Vorteile gegenüber Pathogenen verschafft“, so Hersch-Green.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Warum gibt es Sex?
Einem biologischen Rätsel auf der Spur

Die Erfindung des Sex
Der Siegeszug der geschlechtlichen Vermehrung

Rekombination ist Trumpf
…oder doch nicht?

Die Rote Königin
Sex als Hilfe gegen Parasiten und Erreger

Mullers Ratsche
Sex zur Elimination von Mutationen?

Die Sex-Verweigerer
Das Rätsel der asexuellen Bdelloid-Rädertierchen

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