Plattenbewegungen, Erdbeben, Vulkane an Plattengrenzen: all dies lässt sich heute durch die Konvektion im Erdmantel, die „große Umwälzströmung“, und das stetige Wandern der Erdplatten auf der Asthenosphäre erklären. Aber einige Phänomene wollen einfach nicht in dieses Schema passen: Die Vulkane Hawaiis gehören zu den aktivsten der Erde – und liegen mitten in der Pazifischen Platte, meilenweit von jeder Plattengrenze entfernt. Schon in den 1960er Jahren postulierten daher Geoforscher die Existenz besonders heißer, aber eng begrenzter Aufwärtsströmungen heißen Magmas im Erdmantel, die so genannten Plumes. Dieser zunächst heftig umstrittenen Theorie nach transportieren die Plumes glutflüssiges Gestein bis in die Erdkruste hinein und letztlich bis an die Erdoberfläche.
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Dünner Stiel, dicker Kopf
Inzwischen haben seismische Messungen, aber auch winzige Abweichungen im Erdschwerefeld an den Orten von Plume-Kandidaten, bestätigt, dass es tatsächlich solche lokalen Temperatur- und Dichteanomalien im Erdmantel gibt. Die Daten erlauben sogar Rückschlüsse auf die Form der Plumes: Sie beginnen nahe der Mantel-Kern-Grenze als dünner, zwischen zehn und 100 Kilometer breiter „Stiel“ und weiten sich dann im oberen Mantel zu einem weitaus größeren „Kopf“ aus.
Je nach Ausmaß dieses Kopfes kann das aufsteigende Magma, wenn es sich durch die Kruste schmilzt, „normale“ Vulkane wie beispielsweise auf Island oder den Kanaren hervorrufen. Besonders große „Köpfe“ sind dagegen vermutlich für die Bildung von Flutbasalten, ausgedehnten, völlig von einer dicken Schicht alter Lava bedeckten Gebieten verantwortlich. Ein Beispiel ist der sich über zwei Millionen Quadratkilometer erstreckende Sibirische Trapp, der auf großflächige Lavaausbrüche vor 250 Millionen Jahren zurückgeht. Diese Ausbrüche und ihre Folgen gelten als mögliche Ursache für das Massenaussterben am Ende des Perms, bei dem 95 Prozent aller meeresbewohnenden Arten und Zweidrittel aller Landbewohner ausstarben.
Superplumes: reales Phänomen oder Fantasie der Geoforscher?
Soweit so etabliert. Doch es gibt zwei Stellen im Erdmantel, die scheinen das gängige Maß des Plume-Phänomens zu sprengen: Im Westpazifik unter Hawaii sowie unter dem afrikanischen Kontinent liegen zwei Regionen, an denen besonders viel heißes Magma vom Grund des Erdmantels in die Höhe steigt. Jede von ihnen ist größer als die Fläche der USA und weist sowohl im Verhalten der seismischen Wellen als auch in Schwerkraftmessungen deutliche Abweichungen vom umliegenden Mantel auf.
Entstehung eigentlich unmöglich
Nach Ansicht einiger Geowissenschaftler muss es sich hier um so genannte „Superplumes“ handeln, an der Kern-Mantel-Grenze entspringende Magma-Aufstiegsbereiche, die um das Zehnfache größer sind als normale Plumes. Allerdings deuteten seismische Messungen vor einigen Jahren darauf hin, dass Aufströme dieser Dimension aus Gründen der Flüssigkeitsdynamik eigentlich nicht ohne weiteres im unteren Erdmantel entstehen können. Seither suchen Geophysiker fieberhaft nach einer Erklärung für die rätselhaften Riesenplumes. Einer Theorie nach könnten sie entstanden sein, indem einfach mehrere „normale“ Plumes auf ihrem Weg nach oben verschmolzen. Gestützt wird dies von Beobachtungen, nach denen sich benachbarte Plumes durchaus aufeinander zu bewegen können.
Krustenplatten als schützender „Wall“?
Eine andere Möglichkeit, postuliert unter anderem von Forschern der Ohio State Universität, wäre eine Abschirmung der Entstehungszone dieser Plumes durch einen Wall aus alten Erdkrustenplatten, die an subduzierenden Plattengrenzen im Laufe der Zeit in die Tiefe gesunken sind. Es gibt seismische Messungen und vor allem numerische Modelle, die dies zumindest nicht ausschließen.
Eines dieser Modelle haben Wendy Panero, Assistenzprofessorin an der Ohio State University und ihre Kollegen im Jahr 2008 in „Science“ vorgestellt. Es erklärt, warum diese von ihr auch Superpiles genanten Aufstieggzonen nach Jahrmillionen noch immer an der gleichen Stelle sitzen – obwohl der Rest des Mantels in ständiger Bewegung ist. Dem Modell nach weisen die Plumes winzige Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung des Magmas auf. Sie enthalten vermutlich zehn bis 13 Prozent Eisen anstatt zehn bis zwölf Prozent, wie der Rest des Erdmantels. Aber schon dieser Hauch eines Unterschieds macht die Superpiles dichter als ihre Umgebung.
„Material, das dichter ist, sinkt zum Grund des Mantels”, erklärt Panero. „Es würde sich dort normalerweise ausbreiten, aber in diesem Falle haben wir subduzierte Platten, die von oben herab kommen und die die Piles zusammenhalten.“ Damit könnten diese Plumes über Millionen Jahre fest mit ihrer Position an der Untergrenze des Erdmantels verbunden gewesen sein, obwohl der Rest des Mantels sich kontinuierlich um sie herum bewegte. Soweit das Modell von Panero. Noch allerdings ist es umstritten – wie auch die gesamte Theorie der Superplumes…
Nadja Podbregar
Stand: 06.08.2010