Als John van Genderen im Jahre 1987 mit der Bahn durch die zentralchinesische Provinz Shaanxi fährt, weiß der Geowissenschaftler noch nicht, dass er dabei ist, eine schleichende Umweltkatastrophe aufzudecken. Zu dieser Zeit allerdings nimmt die Welt von Chinas Wirtschaftsentwicklung noch keine Notiz und das Land ist für die tägliche Berichterstattung nahezu uninteressant.
Dennoch wird die Reise wertvolle neue Erkenntnisse bringen – und van Genderens Heimatinstitut, dem niederländischen Institut für Geoinformation und Erdbeobachtung (ITC), ein neues Forschungsthema, und zwar für mehrere Jahre.
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Bergbaurisiko Kohlebrand
Der Geowissenschaftler entdeckt während seiner Fahrt ein ausgedehntes Feuer an einem Berghang, mehrere Kilometer breit und scheinbar unbeachtet von den Chinesen selbst. Ein mitreisender chinesischer Kollege klärt van Genderen auf: Es handele sich um einen Kohlebrand, nichts Besonderes, so der chinesische Professor, „dagegen sind wir machtlos“.
Van Genderen erfährt, dass in China Kohlebrände zum Bergbau dazugehören. An vielen Stellen in den Bergbaugebieten des Nordens liegen die Flöze nur wenige Meter unter der Erde. Hier steigen Dampf und Verbrennungsgase aus Erdspalten, an manchen Stellen ist die glühende Kohle direkt an der Oberfläche zu sehen. Sogar Straßen sind unsicher, weil sie von unten schmelzen oder der Untergrund ausgebrannt wird und sich Hohlräume bilden. Straßenbau-Eingreiftrupps, die einsturzgefährdete Pisten abklopfen und unter Umständen gezielt selbst zum Einsturz bringen, gehören in Chinas Kohlebergbauregionen zum Alltag.
Wenig Wissen – großer Schaden
Bis zum Besuch des niederländischen Forschers in China war das Phänomen unterirdischer Kohleflöz-Brände von der westlichen Wissenschaft nahezu unbeachtet, obwohl es sie weltweit gab. Van Genderen, magisch angezogen vom glühenden Untergrund, zählt gemeinsam mit seinen chinesischen Kollegen allein an der Nordgrenze Chinas über einhundert Brände von jeweils mehreren Hektar Größe. Die Flözbrände reichen bis zu mehrere hundert Meter in die Erde hinein, nicht selten erstrecken sie sich über bis zu 20 Kilometer Länge.
Und er gibt den Anstoß, die Brände genauer zu untersuchen. Denn über die Art und Weise der Ausbreitung weiß man so gut wie nichts. Das ITC im niederländischen Enschede gehört mittlerweile zu den renommiertesten Forschungsinstituten, die sich mit dem Phänomen beschäftigen.
Heute gehen die Forscher vom ITC davon aus, dass allein in China, das knapp eine Milliarde Tonnen Kohle jährlich produziert, pro Jahr etwa 20 bis 30 Millionen Tonnen Kohle durch solch unkontrollierte Feuer verbrennen und etwa 90 bis 300 Millionen Tonnen für den Bergbau unbrauchbar werden. Zum Vergleich – in ganz Deutschland werden heute jährlich noch etwa 25 Millionen Tonnen Kohle gefördert.
Forschungsprojekt für den Klimaschutz
Mittlerweile ist auch Deutschland an der Erforschung der Flözbrände in China beteiligt. Bereits seit 2003 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine deutsch-chinesische Forschungsinitiative zur Erkundung der Kohlebrände in Nord-China – als Beitrag zum Klimaschutz. Denn bei der Verbrennung der Kohle entstehen Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan, Kohlenmonoxid und Stickstoffoxide in riesigen Mengen.
Stand: 13.06.2008