Schon als die ersten spanischen Eroberer nach Südamerika kommen, staunen sie über das viele Gold der Einheimischen. Denn die auf den ersten Blick „primitiven Wilden“ besitzen teilweise prachtvollen goldenen Schmuck und in ihren Tempeln stehen goldene Statuen und Gefäße. Viele dieser Objekte sind zudem erstaunlich kunstvoll gearbeitet.
Ein goldener Herrscher und sein Reich
Merkwürdig nur: Die einheimische Bevölkerung scheint diesen Schätzen kaum Bedeutung beizumessen. Der materielle Wert des Goldes ist ihnen offenbar nicht bewusst. Den Konquistadoren dagegen gehen förmlich die Augen über – und ihre Gier ist geweckt. Umso faszinierter sind sie, als ihnen Gerüchte über einen „goldenen Herrscher“ und sein von Gold und anderen Schätzen starrendes Reich zu Ohren kommen.
Dieser von den Spaniern als „El Dorado – der Goldene“ bezeichnete Ort soll irgendwo jenseits des Amazonas-Tieflands an einem Gewässer liegen. Denn der Sage nach badet der über und über mit Gold bedeckte Herrscher täglich in diesem Gewässer und opfert dort den Göttern Edelsteine und Gold. Das Problem nur: Bisher haben die Spanier kaum eine Vorstellung von der Geografie Südamerikas, geschweige denn eine Idee, wo El Dorado liegen könnte.
Erste Eroberungsfeldzüge führen die Konquistadoren vor allem in das heutige Mexiko und vor dort aus nach Süden in das Reich der Inkas. Auch einige Küstengebiete werden von Expeditionen durchstreift. Immer wieder finden sie dabei wertvolle Goldobjekte – hören aber auch von noch reicheren Schätzen irgendwo im Landesinneren. Über Jahrzehnte wird der Mythos von El Dorado zur treibenden Kraft hinter den Erkundungszügen der Spanier.
Pizarros Expedition ins Tiefland
Im Jahr 1540 weckt die Geschichte von El Dorado die Aufmerksamkeit von Gonzalo Pizarro, dem jüngeren Halbbruder des berüchtigten Konquistadors Francisco Pizarro. Nachdem dieser das Reich der Inka in Peru erobert und zerschlagen hat, macht er seinen Halbbruder zum Gouverneur der Provinz Quito. Dort hört Gonzalo Pizarro von Einheimischen eine verheißungsvolle Geschichte: Weit im Osten soll es ein Tal geben, in dem es Gold und das begehrte Gewürz Zimt in rauen Mengen gibt.
Pizarro zögert nicht lange und rüstet eine Expedition aus: Mit 340 spanischen Soldaten und 4.000 einheimischen Helfern zieht er von den Höhen der Anden hinunter in den Dschungel des Tieflands. Doch der Treck erweist sich als Fiasko. Das unwegsame Gelände, die Hitze und die Strapazen schwächen die spanischen Truppen und machen sie krank. Hinzu kommen ständige Angriffe durch die Bewohner des Regenwalds. Als die Expedition nach monatelangem Herumirren endlich an einen großen Fluss gelangt, ist ein Großteil der Soldaten und einheimischen Begleiter tot.
Amazonas statt EL Dorado
Pizarro kehrt nach Quito zurück, um mehr Männer und Material zu organisieren. Zuvor aber gibt er seinem Leutnant Francisco de Orellana den Befehl, gemeinsam mit einigen verbliebenen Soldaten auf dem Fluss weiter Richtung Osten vorzustoßen – weiter auf der Suche nach El Dorado. Auf einem mithilfe der Einheimischen gebauten Schiff fahren Orellana und seine Männer monatelang unter Hunger und Entbehrungen den Fluss hinab. Am 26. August 1542 schließlich erreichen sie ein gewaltiges Delta: die Mündung des Amazonas.
Orellana wird damit der erste Europäer, der den Amazonas einmal von West nach Ost befahren hat. El Dorado aber findet auch er nicht. Nach Pizarro und Orellana versuchen noch mehrere spanische Konquistadoren ihr Glück und stoßen in das Amazonas-Tiefland vor – vergebens. Noch immer bleibt unklar, wo genau das sagenumwobene Goldreich überhaupt liegen soll.