Plastikmüll hat für Meeresorganismen nicht nur direkte und handfeste Folgen wie Ersticken oder Verhungern bei prall gefülltem Magen, er stellt offenbar auch eine schleichende Gefahr dar. Darauf deuten jedenfalls neue Ergebnisse hin, die japanische Wissenschaftler auf dem Treffen der American Chemical Society in Washington 2009 vorgestellt haben. Die Forscher um Katsuhiko Saido von der Nihon Universität in Chiba konnten in einer neuen Studie zeigen, dass bestimmte Kunststoffabfälle unter Bedingungen wie im freien Ozean schneller zerfallen als bisher gedacht.
Kunststoffe zerfallen schneller
„Kunststoffe aus dem alltäglichen Leben werden allgemein als sehr stabil eingeschätzt. Wir haben nun gezeigt, dass Plastik im Meer zügig abgebaut wird, wenn er der Sonne, Regen oder anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist“, erklärte Saido den anwesenden Kollegen.
Das Zerfallen allein wäre nicht so dramatisch, dabei wird nach den Erkenntnissen der Umweltchemiker aber unter anderem auch Bisphenol A frei. Die Chemikalie steht im Verdacht das Hormonsystem von Tieren massiv zu stören und Erbgutveränderungen auszulösen. Bisphenol A dient unter anderem als Ausgangsstoff zur Produktion von so genannten Epoxidharzen und Polycarbonaten und ist beispielsweise in Babyfläschchen, Plastikschüsseln und Folienverpackungen in größeren Mengen enthalten.
Zu den von den Forschern nachgewiesenen Substanzen gehören zudem auch andere Umweltgifte wie Styrolmonomere, die eine krebsauslösende Wirkung haben können. „Damit haben wir eine neue Quelle globaler Kontamination enthüllt, die auch in Zukunft vorhanden sein und stark zunehmen wird.“, prognostizierte Saido auf der Veranstaltung in Washington
Winzig kleine Giftbomben
Sorgen macht Wissenschaftlern und Umweltschützern darüber hinaus, dass sich die Kunststoffabfälle – vor allem die winzig kleinen Plastikteilchen – längst als regelrechte „Fallen“ für Dauergifte wie DDT oder PCB entpuppt haben. Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften können sich diese bei uns längst verbotenen Persistant Organic Pollutants (POPs) an die Abfallpartikel problemlos anlagern. Und das so lange, bis eine millionenfach erhöhte Konzentration im Vergleich zum umgebenden Meerwasser erreicht ist, wie japanische Forscher um Hideshige Tanaka von der Universität Tokio zusammen mit Kollegen von der Universität von Plymouth betonen.
Was passiert, wenn Meeresorganismen diese winzig kleinen Giftbomben fressen, ist bis jetzt noch nicht endgültig geklärt. Erste wissenschaftliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die POPs unter den im Magen und Darm vieler Tiere herrschenden Bedingungen wieder frei werden könnten.
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Gift klettert die Nahrungskette hoch
Die Umwelt- und Naturschutzorganisation Greenpeace dagegen befürchtet noch andere, mindestens ebenso dramatische Folgen durch die Freisetzung der toxischen Substanzen: „Meerestiere, die dieses Plastik mit Nahrung verwechseln und fressen, speichern die Gifte in ihrem Körper. Über Beuteorganismen erreicht die Giftbelastung auch ihre Jäger. Menschen und Tiere am Ende der Nahrungskette erhalten die höchste Dosis dieser Gifte.“
Dieter Lohmann
Stand: 19.03.2010