Angelockt von Sir Walter Raleighs blumigen Schilderungen machen sich im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder Europäer auf, nach dem sagenhaften Goldland Südamerikas zu suchen. Spanische Gouverneure senden mehrere Expeditionen von der Küste ins Landesinnere und auch der deutsche Entdecker und Arzt Nicholas Horstmann reist 1739 im Auftrag des niederländischen Gouverneurs von Guyana den Essequibo-Fluss hinauf. Doch sie finden weder den Parime-See noch das sagenumwobene El Dorado.
Mit dem Einbaum durch den Regenwald
In Europa kommen die Berichte von El Dorado und den rätselhaften Parime-See auch einem jungen deutschen Gelehrten zu Ohren: Alexander von Humboldt. Der Wissenschaftler erlangt dank seines reichen Erbes Ende des 18. Jahrhunderts endlich die Mittel, um sich seinen Traum zu erfüllen: eine Expedition in die Neue Welt. Gemeinsam mit seinem Begleiter, dem Botaniker Aimé Bonplant, überquert von Humboldt den Atlantik und landet nach Zwischenstopp auf Teneriffa schließlich 1799 in Venezuela.
Jetzt beginnt das erste große Abenteuer: Auf einem 13 Meter langen und nur rund einen Meter breiten Einbaum erkunden von Humboldt und Bonplant, begleitet von einigen einheimischen Helfern, zunächst einige Flüsse im Orinocobecken, dann fahren sie den Rio Negro hinauf, einen der großen Zuflüsse des Amazonas. Weiter stromaufwärts folgen die beiden Forscher dem Nebenfluss Rio Casiquiare und entdecken dabei, dass dieser die großen Einzugsgebiete des Amazonas und Orinoco verbindet.
Überschwemmte Savanne statt See?
Im Laufe seiner Erkundungen geht von Humboldt auch der Frage nach, wo der Parime-See liegen könnte. Doch auch er findet weder den See noch El Dorado. Stattdessen kommt er zu dem Schluss, dass es sich bei dem legendären Gewässer um ein saisonales Phänomen handeln muss: In der Regenzeit werden Teile der Rupununi-Savanne im Südwesten Guayanas überschwemmt und ähneln dann einem großen Binnenmeer.
Für von Humboldt ist damit klar: Der Parime-See mit dem an seinen Ufern liegenden El Dorado ist ein Mythos. „Alle Fabeln haben eine wahre Basis und die von El Dorado ähnelt darin den Mythen der Antike. Zwar glaubt niemand in Europa mehr an den Reichtum von Guayana. Manoa und seine mit Platten aus massivem Gold bedeckten Paläste sind längst verschwunden. Aber die geografischen Umstände, die die Fabel von El Dorado umgeben, der Parima-See … wird von Geografen dennoch weiter erhalten.“
Gab es den Parime-See doch?
Doch möglicherweise irrte von Humboldt doch. Denn in den 1970er Jahren entdeckten Geologen im Norden Brasiliens, nur wenig südlich der angeblichen Lage des Parime-Sees, tatsächlich Spuren eines einstigen Sees. Etwa 120 Meter über dem Meeresspiegel fanden sie in zahlreichen Gesteinsformationen der Region eine waagerechte Linie.
Nach Ansicht von Roland Stevenson und seinen Kollegen markiert diese Linie den Wasserstand eines vor mehreren Jahrhunderten trocken gefallenen Sees – und dieser könnte riesig gewesen sein. Ihren Untersuchungen nach war dieses Gewässer einst 400 Kilometer lang und erstreckte sich über 80.0000 Quadratkilometer. Es könnte damit sogar einer der größten Seen der Erde gewesen sein. Der Theorie der Forscher zufolge riss ein Erdbeben im Jahr 1690 jedoch einen Graben auf, durch den sich das Wasser des Sees in den Rio Branco entleerte.
Dennoch scheint klar: Wenn es El Dorado gegeben haben sollte, lag es wohl nicht im Süden Guayanas oder in Nordbrasilien. Wo aber dann?