Eines der berühmtesten Beispiele für ein Medikament mit schöner Nebenwirkung ist der Wirkstoff Sildenafil, den meisten wohl besser als Viagra bekannt. Was ursprünglich als Mittel gegen Bluthochdruck geplant war, wurde bei den Probanden im klinischen Testlauf schnell für eine andere Eigenschaft geschätzt: Sie bemerkten, dass Sildenafil offenbar bei Erektionsstörungen half – eine zufällige Entdeckung, die den Arzneistoff zum Kassenschlager machte.
Ein vielseitiges Potenzmittel
Heute wird Viagra zwar noch immer hauptsächlich von Männern mit Erektionsproblemen geschluckt. Das Medikament aus dem Hause Pfizer hat sich inzwischen jedoch einen Namen als wahrer Tausendsassa gemacht. So soll Viagra unter anderem lungenschwachen Frühchen helfen können. Und mancher Bergsteiger wirft sich die blaue Tablette ein, weil sie gegen die Höhenkrankheit schützt.
Kürzlich haben Forscher eine weitere mögliche Anwendung des Potenzmittels entdeckt: die Stammzelltransplantation. Denn durch seine gefäßerweiternde Wirkung kann das Medikament die Wanderung von Blutstammzellen ins Knochenmark fördern. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um diese blutbildenden Zellen gewinnen zu können. Daneben forschen Wissenschaftler auch an anderen Alternativindikationen für Viagra – zum Beispiel als Medikament gegen Herzprobleme oder als Fruchtbarkeitsmittel für Frauen.
Aspirin – nicht nur gegen Schmerzen
Auch im Fall von Aspirin haben sich im Laufe der Zeit neue Anwendungsgebiete herauskristallisiert. Traditionell wird Acetylsalicylsäure (ASS) wegen ihrer schmerzlindernden, entzündungshemmenden und fiebersenkenden Wirkung bei Grippe und Kopfschmerzen eingesetzt. Doch sie kann auch die Verklumpung von Blutplättchen verhindern. Wegen dieser Funktion als Blutverdünner wird das Medikament zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall verschrieben – allerdings nur an Risikopatienten, denn mit der täglichen Einnahme steigt auch die Gefahr bedrohlicher Blutungen.
Darüber hinaus könnte Aspirin auch bei einem ganz anderen Krankheitsbild helfen, wie Studien nahelegen: Depressionen. Forscher vermuten inzwischen, dass dieses psychische Leiden mit chronischen Entzündungen im Gehirn einhergeht – und dagegen hilft Aspirin. Tatsächlich deuten erste Untersuchungen darauf hin, dass der Arzneistoff die Symptome depressiver Patienten lindern und die Wirkung klassischer Antidepressiva verstärken kann.
Comeback eines Skandalmedikaments
Ein weiteres Beispiel für ein erfolgreich umfunktioniertes Medikament ist Thalidomid: Ursprünglich unter den Markennamen Contergan und Softenon als Beruhigungs- und Schlafmittel vermarket, erlangte dieser Wirkstoff traurige Berühmtheit. Denn seine Einnahme verursachte bei zahlreichen Ungeborenen im Mutterleib schwerste Fehlbildungen – Anfang der 1960er Jahre wurde dieser Contergan-Skandal in Deutschland aufgedeckt.
Trotz dieser tragischen Wirkung wird Thalidomid heute wieder zur Behandlung von Patienten eingesetzt. In einigen Ländern ist der Arzneistoff für die Therapie schwerer Lepraformen sowie des multiplen Myeloms zugelassen. Auch bei uns darf das Mittel unter Beachtung strenger Sicherheitsauflagen gegen diese Krebserkrankung des blutbildenden Systems verwendet werden. Was bei Ungeborenen zu Missbildungen führt, hemmt nämlich auch das Tumorwachstum: Thalidomid verhindert unter anderem, dass sich für die Versorgung wichtige Blutgefäße ausbilden.