Astronomie/Kosmologie

Die tödliche Distanz

Ab welcher Entfernung wird es gefährlich?

Astronomische Daten und Berechnungen belegen, dass eine nahe Supernova tödliche Folgen für die irdische Lebenswelt haben kann. Doch wie nah muss eine Sternexplosion der Erde dafür sein? Und wie groß ist das Risiko für ein solches Ereignis?

„Erdnahe Supernovae sind unvermeidbar“, konstatierten Brian Fields von der University of Illinois in einem 2020 für den US-Kongress erstellten Bericht zum Risiko erdnaher Sternexplosionen. „Denn in der Milchstraße explodiert im Schnitt rund alle 30 Jahre ein massereicher Stern.“ Es ist demnach nur eine Frage der Zeit, bis eine dieser Supernovae auch in der Nachbarschaft unseres Sonnensystems stattfindet.

Beteigeuze
Der 650 Lichtjahre entfernte Überriese Beteigeuze nähert sich dem Ende seines Lebenszyklus und erlebte 2019 einen starken Ausbruch. © NASA/ESA, E. Wheatley (STScI)

Beteigeuze könnte der nächste sein

Tatsächlich gibt es in unserer lokalen Nachbarschaft einen massereichen Stern, der in absehbarer Zeit in einer Supernova explodieren könnte: Beteigeuze. Dieser rund 650 Lichtjahre entfernte Rote Überriese bildet den von uns aus gesehen linken Schulterstern des Sternbilds Orion und steht am Ende seines Lebenszyklus. Astronomen gehen davon aus, dass eine Supernova bevorsteht – wann genau, ist allerdings unklar. „Es kann morgen passieren oder in hunderttausend Jahren“, erklärt der Astronom Jonathan Mackey von der Universität Bonn. Die Supernova wäre aber in jedem Falle so stark, dass ihr Licht sogar tagsüber zu sehen sein könnte.

Erste Anzeichen von Instabilität und Turbulenzen zeigt Beteigeuze bereits: Er hat sich zum rund 700-fachen Durchmesser der Sonne aufgebläht und erlebte im Jahr 2019 einen gigantischen Ausbruch, bei dem stellares Plasma mit der Masse mehrerer Erdmonde ausgeschleudert wurde und der Staub den Stern monatelang verdunkelte.

Wie weit reicht die Todeszone?

Doch wäre die Supernova von Beteigeuze für die Erde gefährlich? Wie weit reichen die tödlichen Auswirkungen einer solchen Sternexplosion? Diese Frage versuchen Astronomen schon länger zu beantworten – in der Regel nutzten sie dafür astrophysikalische Modelle, die auf Basis von Beobachtungen ferner Supernovae entwickelt wurden.

Diesen Modellen zufolge liegt die tödliche Entfernungsschwelle bei einer durchschnittlichen Kernkollaps-Supernova bei drei bis 30 Lichtjahren – ereignet sich die Sternexplosion in dieser Distanz oder näher, wären die Auswirkungen schwerwiegend genug, um ein globales Massenaussterben zu verursachen. Tröstlich allerdings: In diesem Umkreis ist kein massereicher Stern bekannt, der sich dem Ende seines Lebenszyklus nähert und in absehbarer Zeit in einer Supernova explodieren könnte.

Im April 2023 ermittelten Astronomen um Ian Brunton von der University of Illinois allerdings, dass sich diese Todeszone für bestimmte Sternexplosionen auch beträchtlich vergrößern kann: Kommt es zu einer Hypernova, einer Supernova, die besonders viel Energie und harte Strahlung produziert, kann sie noch in einer Entfernung von 65 bis 160 Lichtjahren tödliche Folgen nach sich ziehen. Studien legen zudem nahe, dass eine Supernova selbst in gut 300 Lichtjahren Entfernung noch messbare Auswirkungen auf Klima und Biosphäre der Erde haben würde.

Wie groß ist das Risiko?

Was bedeutet dies für die Häufigkeit solcher potenziell für die Erde gefährlichen Supernovae? Fields und seine Kollegen gehen davon aus, dass mehrere Male pro einer Milliarde Jahren eine Sternexplosionen im Abstand von 30 Lichtjahren und weniger vorkommt. „Das legt nahe, dass es in der Erdgeschichte mindestens eine dieser nahen Supernovae gegeben haben könnte – mit drastischen Effekten auf die irdische Biosphäre“, so die Astronomen.

lokale Blase
Dieses 3D-Modell zeigt die lokale Blase, die von Supernovae freigefegt und von Molekülwolken umgeben ist. © Alyssa Goodman/ Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

Für die etwas weiter entfernten Sternexplosionen liegt die Häufigkeit noch höher: „Supernovae im Umkreis von rund 300 Lichtjahren von der Erde müssten sich alle paar Millionen Jahre ereignen“, so Fields und sein Team. „Die lokale Blase rund um unser Sonnensystem deutet darauf hin, dass es solche Explosionen innerhalb von zwei Millionen Jahren geben haben muss.“ Diese lokale Blase ist ein rund tausend Lichtjahre großer, relativ sternenleerer Raum, an dessen Rand mehrere Sternenwiegen liegen.

Von Supernova-Resten umringt

Tatsächlich fanden Astronomen um Catherine Zucker vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics im Jahr 2022 heraus, dass diese Blase vor rund 14 Millionen Jahren durch eine ganze Serie von Supernova-Explosionen gebildet wurde. Die Strahlung, Schockwellen und nach außen rasenden Gase dieser Kette von 14 bis 20 Supernovae verdrängten rund 1,4 Millionen Sonnenmassen an Staub und Gas aus dem lokalen Umfeld und schufen an ihrer sich bis heute weiter ausbreitenden Schockfront die heute aktiven Sternenwiegen und Molekülwolken.

Allerdings: Als sich diese Sternexplosionen ereigneten, war die Sonne noch knapp tausend Lichtjahre von dieser lokalen Blase und ihren Supernovae entfernt, wie Zucker und ihre Kollegen ermittelten. Sie wanderte erst vor rund fünf Millionen Jahren in diese leergefegte Zone ein und liegt heute eher zufällig in ihrem Zentrum. Dennoch legen astronomische Beobachtungen und Modelle nahe, dass unser Planet im Laufe der Erdgeschichte mehrfach von den Auswirkungen einer nahen Sternexplosion getroffen wurde – auch wenn noch keine das Leben ausradierende Supernova-Katastrophe darunter war.

„Es muss in der geologischen Vergangenheit der Erde zahlreiche erdnahe Supernovae gegeben haben“, konstatieren Brunton und seine Kollegen. „Eine oder mehrere von ihnen haben vermutlich die Erdatmosphäre mit einer höheren Dosis ionisierender Strahlung getroffen. Die Röntgenemissionen von Sternexplosionen hatten demnach einen spürbaren Effekt auf die Erde und spielten wahrscheinlich auch eine Rolle für die Entwicklung des Lebens.“

Doch wann ereigneten sich diese nahen Sternexplosionen? Und welche Folgen hatte dies?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Supernova – Gefahr für die Erde?
Auswirkungen erdnaher Sternexplosionen auf unseren Planeten

Sternentod mit weitreichenden Folgen
Welche Auswirkungen hat eine Supernova?

Die tödliche Distanz
Ab welcher Entfernung wird es gefährlich?

Supernova als Geburtshelfer
Verdankt die Sonne ihre Existenz einer Sternexplosion?

Aussterben und Isotope
Wie Supernovae die Erdgeschichte beeinflussten

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