„Insgesamt sind fast 90 Prozent aller wildwachsenden Blütenpflanzen der Erde auf tierische Besucher angewiesen“, sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle. Sie alle buhlen um die Gunst fleißiger Bestäuber, die Pollen von Blüte zu Blüte tragen und auf diese Weise die Fortpflanzung der Art sicherstellen.
Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Botentiere häufig die Blüten derselben Spezies besuchen. Tragen sie den Blütenstaub zu einer fremden Art, nützt das der Pflanze gar nichts. Aus diesem Grund locken viele Pflanzen ganz gezielt nur bestimmte Tiere an: Sie passen Farbe und Duft ihrer Blüten an die Vorlieben des gewünschten Bestäubers an und erleichtern ihm durch ihre Anatomie den Weg zu Nektar und Pollen.
Farbige Wegweiser
So sind von Bienen besuchte Blüten beispielsweise häufig purpurn bis violett gefärbt – Farben, die die Insekten gut sehen können. Besondere Markierungen sollen den Bienen helfen, den Blütensaft und die Bestäubungsorgane zu finden. Nicht immer sind diese Saftmale genannten Signale auch für uns Menschen sichtbar: Im Gegensatz zu uns können Bienen im UV-Bereich sehen.
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Wer sich von Nachtfaltern bestäuben lässt, setzt dagegen auf weiße Blüten. Denn in der Dämmerung sind helle Farben besser wahrzunehmen als dunkle. Auch der Duft spielt nicht nur bei nachtaktiven Insekten eine große Rolle: Im Gegensatz zu Farben weisen sie den Bestäubern bereits aus großer Entfernung den Weg.
Spezifische Duftvorlieben
Während die meisten Pflanzen Insekten mit süßen Düften bezirzen, verströmt der auf der Insel Sumatra verbreitete Titanwurz Gerüche, die an verwesende Tierkadaver erinnern. Warum? Er will keine Bienen oder Hummeln zur Bestäubung anlocken, sondern Schmeißfliegen und Aaskäfer.
Auch Fledermäuse lieben einen für die menschliche Nase eher gewöhnungsbedürftigen Duft: Sie reizen schwefelhaltige Verbindungen. Zusätzlich geben auf die flugfähigen Säuger angewiesene Pflanzen ein spezielles Echo ab, an dem sich die Fledermäuse orientieren können. Weil ihre Bestäuber außerdem ein gutes Ortsgedächtnis haben, öffnen sie nachts immer wieder dieselbe Blüte.
Vermeintlicher Begattungsakt
Einige Blütenpflanzen treiben es in Sachen Verführung noch weiter auf die Spitze: Sie ahmen paarungswillige Tiere nach und ziehen Bestäuber damit gekonnt in ihren Bann. Dieses Spiel beherrschen zum Beispiel Orchideen aus der Gattung der Ragwurzen meisterhaft: Ihre Blüten ähneln nicht nur optisch weiblichen Bienen, Käfern oder anderen Insekten.
Sie verströmen auch einen Duft, der mit den Sexuallockstoffen der Weibchen nahezu identisch ist. Durch diese Signale locken die Orchideen Männchen an, die die Blüten voller Enthusiasmus „begatten“ – und bei dem vermeintlichen Fortpflanzungsakt Pollenpakete an den Körper geklebt bekommen.
Der Vorteil der Pflanze bei einer solchen Interaktion ist deutlich: Sie wird bestäubt, ohne dafür mit der Produktion von Nektar bezahlen zu müssen. Pech für die getäuschten Insekten, dass sich nicht alle Pflanzen an die Spielregeln des Mutualismus halten.
Daniela Albat
Stand: 20.10.2017