INFJ, Typ 9w8, FEVL – Persönlichkeitstests gibt es zahlreiche. Und sie werden überraschend ernst genommen: Bei Bewerbungsverfahren nutzen viele Firmen Persönlichkeitstests wie den Myers-Briggs-Typenindikator, kurz MBTI, einige Bewerber geben ihren Typ sogar freiwillig auf dem Lebenslauf an. Auf einem Date das passende Sternzeichen zu haben, kann zu einem zweiten Treffen verhelfen, doch umgekehrt kann ein Sternzeichen-Missmatch bei einigen Leuten die gute Zeit schnell versauen.
Der Künstler, der Debattierer, der Enthusiast
Der wohl populärste Persönlichkeitstest ist der MBTI. Dieser auf Basis der Psychologie von Carl Gustav Jung entwickelte Test teilt den Befragten anhand von vier Eigenschaften in 16 verschiedene Persönlichkeitstypen auf. Dabei nutzt er Dichotomien in vier Kategorien – Antrieb, Aufmerksamkeit, Entscheidung und Lebensstil.
Der Test unterscheidet dabei beispielsweise, ob eine Person im Antrieb eher introvertiert oder extravertiert ist, ob sie Eindrücke eher intuitiv oder realitätsorientiert verarbeitet und ob sie ihre Entscheidungen eher auf Basis ihrer Gedanken oder Gefühle trifft. In der Kategorie Lebensstil wird erfasst, wie strukturiert und flexibel eine Person Informationen verarbeitet. Eine Person, die etwa introvertiert ist, sensorisch, fühlend und urteilend, wäre sogenannter Verteidiger. Den 16 verschiedenen Typen des MBTI werden entsprechende Eigenschaften zugesprochen– so sind Verteidiger angeblich gewissenhaft, zurückhaltend und hilfsbereit. Dr. Watson von Sherlock Holmes soll demnach ein Verteidiger sein.
Doch was ist dran an dem Test? Verschiedene Studien zeigen: Obwohl der Test allgemein beliebt ist und vor allem viele Personaler seinen Vorhersagen trauen, haben dessen Ergebnisse relativ wenig mit der Realität zu tun. Denn damit ein psychologischer Test als wissenschaftlich gelten darf, muss er drei Kriterien erfüllen: Er muss auch bei wiederholter Anwendung ähnlich Ergebnisse liefern. Die Ergebnisse müssen unabhängig von der durchführenden Person sein. Und er muss genau das messen, was auch gemessen werden soll. Der MBTI erfüllt diese Kriterien laut Studien leider nicht.
Faszination Persönlichkeit
Die meisten anderen Tests, die die Persönlichkeit bestimmen sollen, teilen Personen ebenfalls feste Eigenschaften zu: Der Enneagramm-Test teilt Individuen beispielsweise in neun Kategorien ein, der Attitudinal-Psyche-Test in 24. Auch Sternzeichen sind zur Bestimmung der Persönlichkeit weitgehend beliebt, nur dass die individuellen Eigenschaften von Krebs, Löwe und Stier eben vom Geburtstag abhängen und nicht von irgendwelchen Testergebnissen.
Die meisten dieser Tests sind wenig wissenschaftlich oder zuverlässig. Trotzdem finden wir uns häufig in den uns zugeteilten Typen wieder. Aber warum? Der Grund dafür, dass wir uns häufig in den Selbstbeschreibungen wiederfinden, ist der sogenannte Barnum-Effekt. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Menschen schnell glauben (wollen), dass allgemeine Aussagen spezifisch für sie gelten. Dieser Effekt wirkt allerdings nur, wenn die Aussagen schwammig formuliert werden und sich an eine unspezifische Gruppe richten. Er beruht auf unserer Eigenschaft, gerne Komplimente anzunehmen und vermeintlich glaubwürdigen Quellen zu vertrauen.
Solange eine Aussage als halbwegs positiv und möglichst allgemein formuliert ist, werden daher viele der Lesenden sich darin erkennen. Beispielsweise: „Du lernst schnell neue Leute kennen, baust Vertrauen aber erst nach einiger Zeit auf.“
Die „Big Five“
Ein Test, der hingegen nach Ansicht von Psychologen eine gute wissenschaftliche Basis aufweist, ist der Big-Five-Persönlichkeitstest, auch OCEAN-Modell oder Fünf-Faktoren-Modell genannt. Dieser misst fünf Dimensionen der Persönlichkeit: Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen und Ideen, dazu zählen auch Kreativität oder beispielsweise Sinn für Schönes. Eine weitere Dimension ist die Gewissenhaftigkeit, also die Neigung, ordentlich zu sein, fleißig und zielorientiert.
Dazu kommen das Maß der Extraversion, also die Neigung zur Geselligkeit, als viertes die Verträglichkeit, also das Maß, in dem Personen anderen mit Altruismus, Wohlwollen und Empathie entgegentreten. Die fünfte Dimension ist der Neurotizismus als die Neigung einer Person zu Sorgen, Ängsten und emotionaler Labilität.
Wie der wissenschaftliche Persönlichkeitstest entstand
Entwickelt wurde das Fünf-Faktoren-Modell durch Gordon Allport und Henry Odbert. Die beiden Psychologen schnappten sich das größte auf dem Markt erhältliche Sprachlexikon und notierten alle Begriffe, die Persönlichkeitseigenschaften beschreiben – von ängstlich über mitfühlend, hin zu zugänglich. Insgesamt notierten sie 17.953 Wörter. Nach und nach fassten sie die Begriffe dann immer weiter zusammen, indem sie ähnliche und korrelierende Eigenschaften in einem Merkmal zusammenfassten – beispielsweise sind gewissenhafte Zeitgenossen unter anderem Leistungsstreben, ordnungsliebend und pflichtbewusst. Leistungsstrebende Personen wiederum sind ehrgeizig und zielorientiert. Und so weiter.
Im Gegensatz zu Sternzeichen, Enneagramm und Co gibt es keine festen Persönlichkeitstypen im OCEAN-Modell. Auch die Eigenschaften der fünf Grundkategorien sind nicht binär, sondern liegen auf einer Skala. Eine Person ist also nicht entweder völlig introvertiert oder extravertiert, sondern vielleicht irgendwo in der Mitte oder neigt zu einem Merkmal stärrker als zum anderen. Schließlich macht es einen Unterschied, ob man auf der Introversion-Extraversionsskala bei 51 Prozent oder 99 Prozent liegt.
Das ist auch einer der Gründe, weshalb die „Big-Five“ als wesentlich zuverlässigeres Maß für die Persönlichkeit von Individuen gelten. Das Modell wird in der psychologischen Forschung häufig genutzt, um den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und anderen Größen, wie Karriere, Partnerwahl oder Musikgeschmack zu finden.