Energie

Die Vorgeschichte

Warum Lage und Technik die Bohrung so riskant machten

Im Oktober 2009 beginnt BP im Golf von Mexiko mit einer Ölbohrung unter erschwerten Bedingungen: Zum einen bohrt man bei einer Wassertiefe von 1.500 Metern bis in eine Tiefe von 5.500 Metern unter dem Meeresspiegel. Zum anderen aber herrscht in den Sedimentschichten und den Reservoirhorizonten vor der Küste Louisianas ein von der Tiefe abhängiger extremer Überdruck, der sogenannte „Geo-Pressure“. Eine solche Überdrucksituation kommt in allen Schelfregionen, also den küstennahen Meeresböden, und den vorgelagerten Kontinentalabhängen der Welt vor, ist daher eigentlich nichts Neues.

Ölbohrmeißel © Brudersohn /CC-by-sa 3.0

Überdruck im Untergrund

Auch Professor Wilhelm Dominik, Leiter des Fachgebiets Explorationsgeologie im Institut für Angewandte Geowissenschaften an der TU Berlin, ist dieser Ansicht: „Es war den Beteiligten von Anfang an bekannt, dass es sich um eine sehr kritische Bohrung handelt. Ich habe solche Bohrungen in die „Over- pressure“-Zone im Golf von Mexiko in den 1980er-Jahren als Trainee selbst mitgemacht. Allerdings nur auf dem Schelf, in einer zur damaligen Zeit erreichbaren Wassertiefe von maximal 300 Metern.“

Tatsächlich kommt BP unter großen Schwierigkeiten zunächst nur bis zu einer Tiefe von 4.000 Metern voran. Der Druck ist unerwartet groß und in der Bohrung treten hohe Spülungsverluste auf. „Die Schwerespülung ist eine Mischung aus Wasser und Tonpartikeln, die im Bohrloch zirkulieren beziehungsweise stehen muss, um die Standfestigkeit des Bohrloches zu gewährleisten und den Gegendruck zu den Fluiden in der Lagerstätte zu erzeugen“, erklärt Dominik. „Das ist auch ein erheblicher Kostenfaktor. Hier gab es also schon erhebliche, nicht eingeplante Mehrkosten.“

Im Winter kommt dann noch ein Hurrikan dazu und beschädigt das Bohrschiff schwer. BP muss die Bohrung abbrechen. Erst im Januar 2010 wird eine neue begonnen. „Die neue Bohrung wurde auf 96,2 Millionen Dollar budgetiert und die ständig steigenden Kosten sollten durch Zeiteinsparungen wieder ausgeglichen werden“, sagt Dominik. Immerhin kostete die eingesetzte Offshore-Bohranlage „Transocean Deepwater Horizon“ 533.000 Dollar am Tag, sowie durchschnittlich weitere 500.000 Dollar täglich für Material und entsprechende Dienstleistungen.

Die von BP gecharterte Transocean Bohrplattform "Deepwater Horizon" vor dem Unglück © Transocean

Komplettierung statt „Plug and abandon“

Im Februar 2010 ist die neue Bohrung erneut an der bereits bekannten Problemzone bei 4.000 Metern Tiefe angekommen. Erneut verursachen die gravierenden Überdruckverhältnisse in der Gesteinsabfolge Spülungsverluste und andere Schwierigkeiten. Mitte April erreicht man dann endlich das Bohrziel und das erhoffte Öl sprudelt. Doch durch die ständigen Verzögerungen sind die Kosten inzwischen deutlich aus dem Ruder gelaufen. Längst hätte das Bohrschiff an anderer Stelle arbeiten sollen.

Nach der so genannten Fündigkeitserklärung ist die Erkundung und Erschließung abgeschlossen. Es steht nun fest, dass das Öl hier zwar reichlich fließt, die Bedingungen für eine Förderung aber wegen des hohen Drucks als sehr kritisch zu bewerten sind. BP hat nun zwei Möglichkeiten: die Bohrung wieder versiegeln und aufgeben, oder aber trotzdem fördern. Der Ölkonzern entschließt sich für die riskante Variante: Er will das Bohrloch so vorbereiten, dass es für eine spätere Förderung des Öls genutzt werden kann. Der Antrag dafür geht am 16. April 2010 bei der zuständigen Behörde ein.

„Jetzt begann die Katastrophe. Die überaus kritische Bohrung hätte man zurückzementieren und aufgeben, also abschreiben müssen. ‚Plug and abandon‘ nennt man das in der Fachsprache. Mit den umfangreichen Ergebnissen der Bohrung hätte man mit Sorgfalt einen Entwicklungsplan für die Produktionsbohrungen und Installationen zur Förderung des Öls aus der Lagerstätte planen müssen“, erklärt Dominik.

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Nadja Podbregar / TU Berlin
Stand: 16.07.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der große Blow-Out
Ölflut im Golf von Mexiko

Die Vorgeschichte
Warum Lage und Technik die Bohrung so riskant machten

Der „Blow-Out“
Wie es zur Katastrophe kam

Barrieren, Chemie und Feuer gegen das Öl
Der Kampf gegen die Ölpest über Wasser

In der Tiefe
Versuche zur Abdichtung am Bohrloch

Operation „Top Kill“
Pfropf aus Schlamm

Ein erster Erfolg
Operation Ersatzkappe stoppt erstmals den Ölfluss

Letzte Hoffnung „Bottom Kill“
Entlastungsbohrungen sollen Ölfluss unterirdisch stoppen

Diaschauen zum Thema

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Beginn der Arbeiten für den endgültigen Verschluss des Bohrlochs

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