Die Quantenphysik erscheint auf den ersten Blick abstrakt und alltagsfern. Denn ihr Wirken ist unsichtbar und bestimmt das Verhalten der kleinsten Teilchen. Doch diese Effekte und ihre Auswirkungen prägen Wissenschaft, Technologie und selbst unseren Alltag auf fundamentale Weise.
„Ohne die Quantenmechanik gäbe es keine Weltwirtschaft und auch kein Informationszeitalter“, erklären Daniel Kleppner und Roman Jackiw vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Fachmagazin „Science“. Denn Elektronik, Laser, Computertechnik und andere moderne Technologien basieren auf den Prinzipien der Quantenphysik. „Auch die spektakulären Fortschritte in Chemie, Biologie und Medizin – und nahe jeder anderen Wissenschaft – wären ohne die Werkzeuge der Quantenmechanik nicht möglich gewesen“, so Kleppner und Jackiw.
Im „Maschinenraum“ der Welt
Gleichzeitig entführt uns die Quantenphysik aber in eine völlig fremde Welt: Sie enthüllt den „Maschinenraum“ unserer Wirklichkeit und seine schwer fassbaren Gesetzmäßigkeiten. Im Reich der Quanten scheint nichts gewiss und alles von bloßen Wahrscheinlichkeiten geprägt: Ein Teilchen kann an mehreren Orten und in verschiedenen Zuständen gleichzeitig vorkommen. So ist Licht eine Welle und ein Teilchen, manchmal aber auch keins von beiden – und auch Schrödingers Katze ist lebendig und tot zugleich.
Die Quantenphysik zeigt uns all diese exotischen Phänomene, liefert aber auch die theoretische Erklärung dafür. Dies macht die Vorgänge im Quantenreich beschreibbar und ermöglicht es uns, sie praktisch zu nutzen. „Vor einem Jahrhundert war unser Verständnis der physikalischen Welt rein empirisch“, erklären Kleppner und Jackiw. „Die Quantenphysik hat uns eine Theorie der Materie und Felder gegeben – und dieses Wissen hat unsere Welt verändert.“
Doch die Anfänge der Quantenphysik waren alles andere als geradlinig oder erhellend. Das Ganze beginnt, als Physiker bei ihren Experimenten immer wieder auf Phänomene stoßen, die sich nicht mit den Regeln der klassischen Physik erklären lassen. Das stellt auch der deutsche Physiker Max Planck fest, als er um 1900 die sogenannte Schwarzkörper-Strahlung untersucht. Dabei handelt es sich um das Strahlungsspektrum, das ein heißes, alle Strahlung absorbierendes Objekt abgibt. Je heißer dieser Schwarzkörper wird, desto stärker „glüht“ er und gibt entsprechende Wärmestrahlung ab.
Planck sucht nach einer Formel, die dieses abgestrahlte Spektrum allgemeingültig beschreibt – und stößt auf ein Problem: Die Energie-Freisetzung des Schwarzkörpers verändert sich nicht kontinuierlich wie erwartet, sondern scheint in klar abgegrenzten Stufen von einem Wert zum nächsten zu springen. Planck muss daher eine Konstante h in seine Gleichungen einfügen, damit sie zu den Beobachtungen passt.
Eine Naturkonstante bleibt inkognito
Heute wissen wir, dass diese Konstante h für die Quantisierung der Energie steht: Die Strahlung ist in „Energiepakete“ unterteilt, die ihre kleinstmögliche Einheit darstellen. Die Planck-Konstante beschreibt das Verhältnis der Energie eines Teilchens zur Frequenz seiner Wellennatur. Sie ist damit eine fundamentale Naturkonstante und Ausdruck des im Quantenreich herrschenden Welle-Teilchen-Dualismus: Ein Photon oder Elektron kann sich je nach Situation und Messmethode wie ein festes Teilchen oder wie eine Welle verhalten. Die Entdeckung des planckschen Wirkungsquants gilt heute als der Startschuss für die Ära der Quantenphysik.
Doch das gilt nur in der Rückschau: Planck und seine Zeitgenossen sehen in der Konstante nicht mehr als einen Korrekturfaktor, eine Art mathematischen Trick. Weder der Welle-Teilchen-Dualismus noch die Bedeutung des planckschen Wirkungsquants sind bekannt oder auch nur Thema. „Planck sah in der Konstante h keinen Indikator für eine echte physikalische Diskontinuität und auch keiner seiner Kollegen griff diese Möglichkeit auf“, erklärt die Wissenschaftshistorikerin Cathryn Carson von der University of California in Berkeley.
Das ändert sich erst im Jahr 1905 – durch Albert Einstein. In seiner bahnbrechenden Veröffentlichung zum photoelektrischen Effekt und dem Verhalten von Licht wirft er die Frage auf, ob sich nicht auch Licht unter bestimmten Umständen wie ein Strom von Teilchen verhalten kann – also beispielsweise von angeregter Materie in diskreten Einheiten abgegeben wird. Einstein beschreibt damit als erster, dass auch Licht und elektromagnetische Strahlung insgesamt gequantelt sein muss.
„Interessant ist jedoch, dass Einstein sich dabei nicht auf Plancks Konstante h bezieht“, erklärt Wissenschaftshistorikerin Cathryn Carson von der University of California in Berkeley. „Dennoch liefert er nicht nur eine experimentell testbare Hypothese, sondern auch eine neue Methode, um die Konstante h zu messen.“
Aber auch das reicht nicht aus, um die Revolution der Physik in Gang zu bringen. Die enorme Bedeutung dessen, was Planck und Einstein hier entdeckt haben, bleibt weiter unerkannt – oder wird schlicht abgelehnt. Das bleibt auch so, als der US-Physiker Robert Millikan im Jahr 1916 Einsteins photoelektrischen Effekt samt Konstante h experimentell bestätigt. „Millikan und andere wehrten sich gegen die zugrundeliegende Quantenhypothese. Sie verstieß gegen alles, was man über das Wellenverhalten des Lichts wusste, und schien unvereinbar mit Maxwells Gleichungen“, so Carson.
Und auch in einem anderen Feld der Physik gibt es Erklärungsnöte.