Sommer 1960. Das Tempo des Wettlaufs in den Weltraum beschleunigt sich. In schneller Folge starten jetzt sowohl die USA als auch die Sowjetunion Testflüge ihrer Trägerraketen und Raumkapseln, mal mit mal ohne tierische Passagiere. Gleichzeitig aber eskaliert der Kalte Krieg weiter. Nach wie vor ist Koroljow offiziell dem Militär unterstellt, das von ihm mehr Starts von Spionagesatelliten statt Zeit- und Ressourcenvergeudung mit Tests zur bemannten Raumfahrt fordert. Die amerikanische NASA dagegen kann sich als zivile Behörde ganz auf ihr „Project Mercury“ konzentrieren.

Die „Vorhut-Sechs“
In Moskau sollen die 20 Kosmonauten jetzt in einem Simulator der Raumkapsel gezielt auf einen Flug in den Orbit vorbereitet werden. Doch es gibt bisher nur ein einziges Gerät für alle. Aus Sorge, dieser Engpass könne das Programm verlangsamen, beschließen Koroljow und die Leiter des Programms die Auswahl von sechs Kosmonauten, die ein beschleunigtes Training absolvieren sollen. Wieder werden Tests und Gespräche geführt, bis dann die sechs der „Vorhut“ feststehen: Neben Juri Gagarin gehören Andrijan Nikolajew, Pawel Popowitsch, German Titow, Grigori Neljubow und Waleri Bykowski dazu.
Noch ist alles im Plan: Die Kosmonauten machen Fortschritte, der jüngste Testflug der Kombination aus Raumkapsel und Wostok-Trägerrakete verläuft zufriedenstellend. So zufriedenstellend sogar, dass die Leiter des Programms einen Brief an das Zentralkomitee der Partei schicken, in dem sie den Flug eines ersten Kosmonauten in den Orbit für Dezember 1960 vorschlagen. Nur noch einen weiteren Testflug wollen sie davor durchführen. Zu groß erscheint ihnen sonst die Gefahr, dass ihnen die USA zuvorkommt.
Die Nedelin-Katastrophe
Testgelände Tjuratam, 24. Oktober 1960, gegen 18:30 Uhr Moskauer Zeit. Die militärische Interkontinentalrakete R-16 steht auf der Startrampe bereit, scheinbar makellos. Im Kontrollzentrum wird jedoch erbittert diskutiert. Denn nach Ansicht der Techniker ist die Rakete alles andere als startbereit: Es gibt Probleme mit der Elektronik und ein Treibstoffleck, die Startvorbereitungen sind abgebrochen worden. Doch Mitrofan Nedelin, Chef der strategischen Raketentruppen und eigens aus Moskau angereist, bleibt hart. Aus Gründen der Propaganda muss diese Rakete unbedingt pünktlich zum Jahrestag der russischen Oktoberrevolution ihren ersten Flug absolvieren.