In der Kartografie wird nicht nur mit handfesten Verfälschungen oder bewussten Ungenauigkeiten getrickst. Es gibt auch ganz subtile Mittel, um die Nutzer von Karten in die Irre zu führen: Schon die Kombination bestimmter Farben und Schraffuren, die Wahl des Maßstabs und der Projektion, selbst Papier und Drucktechnik können die Wirkung von Karten enorm verändern.

Jerusalem und Mekka
Welch wichtige Rolle die Perspektive spielt und wie sich damit Nutzer zugunsten der eigenen Ansicht und Ideologie beeinflussen lassen, war schon den Kartografen des Mittelalters bewusst. Sie erstellten damals sogenannte Mappae Mundi, die die damals bekannte Welt nach strikt christlichen Gesichtspunkten darstellten. „Auf den kreisrunden Mappae Mundi sehen die Länder nicht so aus, wie wir sie aus dem Schulatlas kennen. Wer nach vertrauten Umrissen sucht, sucht vergeblich“, erklärt Marianne Gebers von der Universität Hannover.
Im Mittelpunkt der Mappae Mundi stand meist die Stadt Jerusalem – als religiöses Zentrum der christlichen Welt. Darum gruppierten sich die Regionen in heute merkwürdig erscheinender Anordnung. „Die Lage eines Ortes wurde nicht durch Messungen bestimmt, sondern durch die Überlieferung der Bibel oder anderer von der Kirche anerkannter Texte“, erklärt Gebers.
Doch auch in der arabischen Welt waren Perspektive und Ausrichtung der Karten lange religiös statt geografisch geprägt: Islamische Karten waren noch bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht nach Norden, sondern nach Mekka ausgerichtet. Dies sollte die Bedeutung dieser religiösen Stätte hervorheben und die Gläubigen an die vom Islam vorgeschriebene Pilgerfahrt nach Mekka erinnern.