
Sonntag, 14. April 1912, 21:30 Uhr Bordzeit. Die meisten der Passagiere an Bord der Titanic haben bereits zu Abend gegessen, einige vergnügen sich noch in den Salons, andere haben sich in ihre Kabinen zurückgezogen und bereiten sich auf die Nacht vor. Ein ganz normaler Abend auf See. Was die Passagiere und Teile der Besatzung zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Die Titanic bewegt sich in gefährlichen Gewässern. Bereits kurz nach dem Auslaufen in Southampton sind bei den Marconi-Funkern an Bord mehrere Eiswarnungen eingegangen.
So schickt der Kapitän des Schiffs „La Touraine“ seinem Kollegen Kapitän Smith auf der Titanic am 12. April die Meldung: „…dichter Nebel, Eisfeld gekreuzt auf 44.58° Breite und 50.40° Länge […] weiteres Eisfeld und zwei große Eisberge auf 45.20° Länge und 45.09° Breite…“. Diese Positionen liegen nur wenig nördlich der Route, die Smith mit der Titanic steuert. Smith bedankt sich für die Warnung und sendet zurück: „Wir haben bestes Wetter.“ Am Sonntagabend gehen weitere Eiswarnungen ein, unter anderem von der „Baltic“, der „Noordam“ und der „Caronia“. Die beiden Seemänner im Ausguck, Fleet und Lee, werden angewiesen, verstärkt nach Eisbergen Ausschau zu halten.

Volldampf voraus
Da das Wetter gut ist und die Sicht trotz dunkler Neumondnacht sehr klar, entscheidet sich Smith, die hohe Geschwindigkeit der Titanic – rund 21,5 Knoten – beizubehalten. Er vermutet die Eisberge größtenteils nördlich seiner Route. In der Rückschau ein fataler Fehler, wie auch die Untersuchungskommissionen später befinden werden: „Er hat einen Fehler gemacht, einen sehr tragischen Fehler“, erklärt der Leiter der britischen Kommission, Lord Mersey. Aber eine grobe Fahrlässigkeit sei das nicht, denn andere hätten genauso gehandelt. Zu dieser Zeit ist es auf dieser Strecke durchaus üblich, bei gutem Wetter und klarer Sicht mit ungedrosselter Geschwindigkeit zu fahren.
Mit 21,5 Knoten fährt die Titanic zudem zwar schnell, aber keineswegs mit ihrer Maximalgeschwindigkeit. Dennoch wird sich noch über Jahrzehnte das Gerücht halten, die Reederei habe unbedingt das Blaue Band für die schnellste Überfahrt bekommen wollen – was neueren Erkenntnissen nach nicht stimmt.