Klaus Schwarzer, Geologe an der Universität Kiel, beschäftigt sich mit den langfristigen Folgen des Sandabbaus. „Jede Küstenregion regeneriert sich unterschiedlich schnell oder auch gar nicht – es gibt keine Gesetzmäßigkeiten“, sagt er. Wenn beispielsweise Strände für die Herstellung von Beton leergebaggert werden und dort das blanke Gestein zurückbleibt – wie etwa in Marokko geschehen -, kann kein Sand vom Strand ins Meer auf natürliche Weise „nachgeliefert“ werden, eine Regeneration ist dann kaum möglich.
Mondlandschaften im Ozean
Schwarzer hat in der Andaman-See vor Thailand im Rahmen eines Tsunami-Projektes regelrechte Mondlandschaften unter Wasser gesehen: „Da war kaum noch Leben“. Dort war das Mineral Kassiterit massenhaft abgebaut worden, das für die Zinnproduktion benötigt wird. In den Kratern hatte sich ein sauerstoffarmes Milieu gebildet. Ähnliches kann in großen, tiefen Sandaushublöchern geschehen.
Auch in der Ost- und in der Nordsee hat Schwarzer im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte vor ein paare Jahren Aushublöcher untersucht. „Vor dem Fischland an der vorpommerschen Ostseeküste kam es zu einer relativ schnellen Regeneration, im Tromper Wiek vor Rügen waren dagegen auch nach 15 Jahren noch Spuren des Aushubs aus DDR-Zeiten zu sehen“, berichtet der Geologe.
Und in der Nordsee vor Sylt dauert es offenbar noch länger: „In den Löchern, aus denen man Sand für Aufschüttungen abgesaugt hatte, war nach mehreren Jahren so gut wie keine Regeneration zu beobachten“, sagt Schwarzer.
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Sand braucht zehntausende von Jahren
„Es ist ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, Sand sei eine schnell nachwachsende Ressource. Das ist er nicht“, warnt der Geologe Kay-Christian Emeis, Institutsleiter am Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung in Geesthacht. „Sand ist im Grunde nichts anderes als ein Zerkleinerungsprodukt von geologisch älteren Gesteinen, das durch Erosion entsteht. Doch dieser Prozess dauert eben Zehntausende von Jahren.“
Der Sand wird von Gletschern zermahlen und über Flüsse in unsere Tiefebenen, an die Küsten und ins Meer transportiert. Erst durch physikalische Einwirkungen – die Energie des fließenden Wassers, die Reibung am Untergrund im Flussbett – erhält der Sand seine typische Korngröße und Form. Das Verschwinden des Sandes und das Schrumpfen der Strände hängt daher nicht nur mit den Baggern und Sandsaugern zusammen, sondern auch mit künstlichen Eingriffen in die Natur, wie der Helmholtz-Geologe Kay-Christian Emeis erklärt.
Staudämme beispielsweise, die den Sand auf dem Weg zum Meer abfangen, oder auch Flussbegradigungen und Betonmauern, die als Schutzwälle vor Küsten gebaut werden, beeinflussen den natürlichen Sandtransport. Etwa 50 Prozent des Sandnachschubs, der in Flüssen geführt wird, erreicht deshalb nach Expertenschätzungen nicht das Meer.
Mareike Knoke / Helmholtz Perspektiven
Stand: 03.02.2017