Klar ist: Der Permafrost wird vom Klimawandel angenagt und zeigt schon jetzt erste Auflösungserscheinungen an seinen Rändern. Doch wie weit das Abtauen fortgeschritten ist und in welchem Tempo es fortschreitet, ist weit weniger klar.
Wie lang ist die „Lunte“?
„Darüber geistern ganz unterschiedliche Vorstellungen durch die Öffentlichkeit“, erklärt Jens Strauss vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). Für die einen sind die Permafrost-Regionen eine tickende Klima-Zeitbombe, die der Menschheit demnächst um die Ohren fliegen wird. Andere gehen davon aus, dass der hohe Norden nur sehr langsam auf die Erwärmung reagiert und daher kein Grund zur Beunruhigung besteht.
„Beides stimmt nicht“, betont der Potsdamer Forscher. „Wir müssen zwar nicht damit rechnen, dass der Permafrost in ein paar Jahren riesige Mengen Treibhausgase auf einmal in die Atmosphäre spuckt und das Klima damit unweigerlich zum Kippen bringt.“ Verharmlosung sei aber auch nicht angebracht. „Immerhin setzen die Permafrost-Regionen heute schon Treibhausgase in einem Umfang frei, der nahezu den jährlichen Emissionen von Deutschland entspricht.“
Ein komplexes System
Das Problem: Die Analyse und Simulation des Permafrost-Zustands sind sehr aufwendig, weil viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Zwar existieren bereits Computermodelle, die dies in unterschiedlicher Detailschärfe abbilden, mit abnehmender Vereinfachung wächst aber der Rechenaufwand enorm.
„Fortgeschrittene thermo-hydrologische Modelle erfordern immense Computerleistungen, um einige hundert Jahre zu simulieren“, erklären Moritz Langer von der Permafrost-Forschungsabteilung am AWI und seine Kollegen. „Sie werden daher typischerweise nur für lokale bis regionale Prozessstudien und zur Simulation von Jahren bis Jahrzehnten eingesetzt.“ Globale Erdsystemmodelle wiederum können zwar die grobe Klimaentwicklung über hunderte von Jahren simulieren. „Viele dieser Systeme können aber die Langzeit-Entwicklung des tiefen Permafrosts nicht abbilden, weil sie nur die oberen Meter des Untergrunds umfassen“, so das Team.
Ein Kombi-Modell als Brücke
Um dieses Dilemma zu lösen, haben langer und sein Team ein neues Computermodell entwickelt, das die Brücke zwischen den zu groben globalen Modellen und den regionalen Permafrost-Simulationen schlägt. Als Basis nutzten sie einen eingeschränkten Satz von Klimaparametern, der aber wichtige Kenngrößen wie die täglichen mittleren Oberflächentemperaturen, Niederschläge und geothermale Wärmeströme umfasst.
Dies kombinierten sie mit genaueren Faktoren aus regionalen Modellen wie dem Wasser- und Eisgehalt des Bodens, der Schneebedeckung oder dem Wärmetransport in den verschiedenen Tiefen des Dauerfrostbodens. Ein Test für die Treffsicherheit dieses kombinierten Modells ergab, dass die simulierten Ergebnisse gut mit aktuellen Messdaten aus verschiedenen Permafrostgebieten der Arktis übereinstimmten. Auf Basis dieses Modells haben Langer und sein Team dann den thermischen Zustand des arktischen Permafrosts in der Zeit von 1750 bis 2000 rekonstruiert.
Das Ergebnis ist eine interaktive Karte, die anzeigt, wie warm es in den verschiedenen Permafrostgebieten des hohen Nordens ist und wie der dortige Permafrost darauf reagiert…