Erstmalig bewusst wahrgenommen wurden die ökologischen und sozialen Probleme im Alpenraum in den 70er Jahren. In den darauffolgenden Jahrzehnten spitzten sich die Umweltzerstörung und das Sterben der Landwirtschaft immer weiter zu.
Mit der Erarbeitung einer Alpenkonvention Anfang der 90er Jahre versuchte man diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Die Alpenkonvention sollte die Interessen der Alpenbewohner gegenüber den Europäischen stärkte. Oberstes Ziel ist dabei die nachhaltige Bewirtschaftung des Alpenraumes. Unter dem Begriff „nachhaltig“ wird dabei nicht der Schutz der Natur vor menschlicher Nutzung, sondern mittels angepasster Nutzung verstanden.
Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlicher Rahmenvertrag, der 1991 beschlossen und von sieben Alpenländern unterzeichnet wurde. Die Konvention ist ein verbindlicher Vertrag zwischen den einzelnen Alpenstaaten und steht damit über nationalem Recht. Er besteht aus einer Rahmenkonvention und einzelnen Fach-Protokollen, die insgesamt neun Themen zum Inhalt haben: Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Berglandwirtschaft, Naturschutz und Landschaftspflegen, Bergwald, Tourismus, Energie, Verkehr, Bodenschutz und Streitbeilegung. Die Rahmenkonvention ist von den nationalen Parlamenten bereits ratifiziert worden und seit 1995 offiziell in Kraft getreten.
Ganz anders verhält sich dies bei den Fach-Protokollen, für deren Unterzeichnung die jeweiligen Umweltminister der Länder zuständig sind. Grund für das lange Herauszögern der Unterzeichnung ist die Uneinigkeit der Alpenländern in bestimmten Fragen. So besteht Österreich beim Thema Verkehr auf ein Neubauverbot alpenquerender Hochleistungsstraßen. Nur wenige Staaten, darunter Deutschland, haben die Protokolle daher bereits ratifiziert. Trittin wertet dies als wichtigen Beitrag zum internationalen „Jahr der Berge“ und zur Vorbereitung des Weltgipfels „Rio + 10“ in Johannesburg im August diesen Jahres.
Bevor nicht alle Protokolle unterzeichnet sind und somit in nationales Recht übernommen wurden, bleibt die Konvention eine reine politische Absichtserklärung. Auch wird von Kritikern häufig bemängelt, die Protokolle seien zu allgemein formuliert und es würden regionsspezifische Ziele fehlen. Dennoch besitzt die Alpenkonvention nach Ansicht von Experten eine wichtige Vorreiterfunktion für andere schutzbedürftigen Gebirgsregionen der Welt. Grenzüberschreitende Probleme werden auf internationaler Ebene zu lösen versucht – und zwar unmittelbar von den Betroffenen.
Neben der Alpenkonvention zielen noch weitere Projekte auf eine gemeinsame Politik ab. 1999 wurde das Europäische Raumentwicklungskonzept EUREK auf den Weg gebracht. Europa wird darin in Großregionen unterteilt und auch die Alpen erlangen so als Makroregion einen neuen Status. Ein weiterer Schritt ist mit dem 2002 von der EU genehmigten Förderprogramm für den Alpenraum „INTERREG“ getan worden. 123 Millionen Euro fließen aus dem Europäischen Fond in die regionale Entwicklung, insbesondere in Projekte im Verkehrs- und Umweltsektor. Mit der Gemeinschaftsinititative erhält erstmalig der gesamte Alpenbogen Mittel für eine gemeinsame Entwicklung.
Doch auch mit diesen Projekten sind die Probleme der Alpen noch längst nicht gelöst. Wie stabil der alpine Lebensraum in Zukunft sein wird, hängt nach dem Schweizer Hochgebirgsforscher Messerli entscheidend davon ab, welche politischen Voraussetzungen und ökonomischen Rahmenbedingungen Europa und die Alpenländer für die zukünftige Entwicklung der alpinen Wirtschaftsstrukturen schaffen. Seiner Meinung nach muss den Alpenländern dabei mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung eingeräumt werden.
Auch der Erlanger Geografieprofessor Bätzing unterstreicht die Wichtigkeit, die einheimischen Kräfte in die gesamteuropäische Entwicklung einzubeziehen. Bätzing verfolgt dabei eine so genannte „Doppelstrategie“, die zwischen Abschottung und Globalisierung liegt. Die Nutzung der eigenen alpinen Wirtschaftspotentiale müssen gefördert werden – jedoch nicht abgekoppelt von den europäischen Märkten. Die Funktionen der Alpen für Europa – Erholung und Transit – gehören dabei so entschädigt, dass der Lebens- und Wirtschaftraum der Alpen nicht gefährdet ist.
Stand: 23.03.2002