Von den goldverzierten Barocksälen des 17. Jahrhunderts bis zum durchgestylten Wohnambiente unserer Tage – schon immer war Wohndesign mehr als nur das Bild an der Wand oder die Möbel im Raum. Im diesem Jahrtausend allerdings könnte uns nicht nur ein neuer Look, sondern eine ganz neue Ära bevorstehen. Im Zeitalter der Verschmelzung von Design und Technologie verwischt die Trennung von Wand und Bild, von Funktionalem und „bloß Schmückendem“.
„Anstelle der typischen Wandoberflächen werden Kunstwerke auf riesigen Flachbildschirmen rotieren – wir werden nicht einmal mehr sehen, dass es ein Monitor ist“, glaubt Faith Popcorn, die Trendscouterin, die in den achtziger Jahren den Begriff „Cocooning“ prägte. Für sie wird sich die Auffassung des Hauses als Rückzugsort in diesem Jahrhundert noch verstärken. „Mit dieser Art von interaktiven Wänden ist alles möglich – Wandbilder, virtuelle Reisen nach Afrika oder irgendwohin. Man kann sagen: Zeige mir diesen Anzug in 50 verschiedenen Farben oder die Bilder des letzten Familienfestes.“
Nicht nur Trendspotter, auch Innendekorateure und Designer erkunden schon mal den Vorraum der Zukunft. Was sie dort sehen, ist zwar je nach Geschmack und individuellem Stil unterschiedlich, aber in einem sind sie sich alle einig: Das bereits angebrochene Jahrhundert steht im Zeichen des digitalen Bildschirms. „Der Computerschirm spiegelt mehr wieder als nur Megabytes und Ram. Wie eine Feuerstelle ist er ein Zeichen für Präsenz, jemand kümmert sich“, erklärt Terence Riley vom Museum of Modern Art.
Displays flach und aufrollbar
Und die technischen Voraussetzungen dafür sind längst vorhanden: Bildschirme aus organischen Polymeren, wie sie beispielsweise die Firma Philips entwickelt, ermöglichen großformatige, extrem flache Displays. Ihre Leuchtdioden werden nicht mehr einmontiert, sondern mit einem speziellen Tintenstrahldrucker aufgedruckt. Da sie selbstleuchtend sind und keine Hintergrundlicht mehr benötigen, verbrauchen sie erheblich weniger Strom als klassische LCD-Monitore und müssen zudem nicht dicker sein als eine Glasscheibe. Seit 2004 können solche Flachbildschirme auch aufgerollt werden. Die Leuchtdioden sitzen dabei auf einer ultradünnen Plastikfolie, die nicht nur nahezu beliebig groß sein, sondern auch wie ein Poster zu einer kleinen Rolle zusammengepackt werden kann, wenn sie gerade nicht gebraucht wird.
Die New Yorker Architekturfirma Hariri & Hariri entwirft schon heute Häuser, in denen die gesamte Wand des Schlafmoduls aus zweieinhalb Meter hohen und breiten Flachbildschirmen besteht. Die Architektin Mojgan Hariri ist überzeugt: „Mit entsprechender Förderung könnten diese Schirme in ein paar Jahren allgemein erhältlich sein.“
Neues Wohnen durch maßgeschneiderte Materialien
Ein weiterer entscheidender Impuls wird, so glauben viele Designer, von den Fortschritten in der Materialforschung ausgehen: Stoffe, die dank integrierter Glasfasern ihre Farbe ändern, Baumaterialien, die sich je nach Wunsch warm oder kalt anfühlen können oder biotechnologisch produzierte Kunststoffe, die Naturmaterialien imitieren, ohne deren Nachteile zu haben. „In der Zukunft werden alle Baumaterialien – vom Teppich über Wandfarben bis zum Fensterglas mehr und mehr manipuliert und „maßgeschneidert“ sein“, charakterisiert Innendekorateur Lee Najman den Trend der Zukunft.
Warum nicht einen einzigen großen Raum schaffen, in dem gearbeitet, geschlafen und gegessen wird oder das Bad als Mittelpunkt des Hauses wählen? Wenn die Wände zudem aus Materialien bestehen, die wahlweise durchsichtig oder undurchsichtig werden können, genügt ein Knopfdruck, um einen öffentlichen Raum in einen abgeschirmten privaten Rückzugsbereich zu verwandeln. Technologie und Digitalisierung könnten damit, so die Visionen der Architekten und Innendesigner, aber auch der Ingenieure, völlig neue Konzepte des Wohnens ermöglichen…
Stand: 11.02.2005