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Kartographie

Digitale Kartenspielereien

Mauscheln mit Satellitenkarten und GPS

Kartografische Tricks und Manipulationen haben auch mit dem Zeitalter von Satelliten, GPS und Online-Kartografie nicht aufgehört – auch wenn der Start von frei verfügbaren Kartendiensten wie Google Earth vor knapp 20 Jahren zunächst durchaus für Ängste und Panikreaktionen sorgte. Plötzlich wurden selbst entlegenste Gebiete für jeden sichtbar – samt der dort vielleicht versteckten sensiblen Anlagen.

Google Earth
Google Earth machte erstmals hochaufgelöste, georeferenzierte Luftbildansichten für alle frei zugänglich. © Geegle Earth

Hochaufgelöste Karten für alle

Als Google Earth im Jahr 2005 startete, revolutionierte dies unsere Sicht der Welt. Denn die bis ins kleinste Detail zoombaren Karten und Satellitenansichten ermöglichten es, virtuell in beliebige Städte und Landschaften zu surfen. Dank der hohen Auflösung der zugrundeliegenden Karten und Satellitenbilder waren nun selbst Details in fremden Gärten oder die Balkonmöbel des Nachbarn erkennbar.

Doch genau dies entfachte auch eine Diskussion darüber, wie gefährlich eine so freizügige Ofenlegung geografischer Daten werden könnte. Sollen beispielsweise die Dachaufbauten des Weißen Hauses in Washington DC auf den Aufnahmen wirklich deutlich erkennbar sein? Ist es legitim, Luftwaffenstützpunkte und Landebahnen detailgetreu zu zeigen? Kann man es verantworten, Kernkraftwerke oder Sprengstofffabriken für jeden Interessierten auffindbar zu machen? Alle diese strategischen Objekte wurden in traditionellen topografischen Karten bisher oft entschärft dargestellt oder kurzerhand weggelassen.

Verpixelt, kaschiert oder weggelassen

Die Reaktion auf die Online-Kartografie-Anwendungen ließ demnach auch nicht lange auf sich warten: Staaten wie Indien, Russland oder Nordkorea äußerten direkt nach dem Start von Google Earth ernsthafte Bedenken, weil die Software sichtbaren Geo-Informationen Terroristen dazu dienen könnte, Anschläge vorzubereiten. Thailand bat beispielsweise darum, Regierungsgebäude unkenntlich zu machen, Australien wollte ein auf den Luftbildern erkennbares Kernkraftwerk verstecken. Viele US-Amerikaner hatten Angst, Detailaufnahmen aus dem Irak könnten die dort im Einsatz befindlichen Soldaten gefährden.

Google lehnte es damals jedoch ab, sein Informationsangebot einzuschränken. „So lange keine rechtlichen Zwänge bestehen, werden wir keine Manipulationen an den Daten aus Google Earth vornehmen,“ versicherte Stefan Keuchel, Sprecher von Google Deutschland, im Jahr 2005. Es sei nicht geplant, den Zugang zu Google Earth in bestimmten Ländern einzustellen oder die Bilder zu verfälschen.

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Allerdings fanden sich in den Satellitenkarten durchaus Hinweise darauf, dass manche Informationen verschleiert und künstlich unscharf gemacht oder kaschiert wurden. So waren damals mehrere Militäreinrichtungen der USA und auch Kernkraftwerke in den Satellitenaufnahmen auffällig verpixelt. Das Europäische Weltraumforschungs- und Technologiezentrum im niederländischen Noordwijk war in der Satellitenansicht auf Google Maps zumindest bis 2012 durch ein grobes Muster in Tarnfarben überdeckt. Auch die Residenzen einiger europäischer Königsfamilien sowie einige Regierungssitze waren künstlich unscharf. Inzwischen sind die meisten dieser künstlich erzeugten Unschärfen und Kaschierungen allerdings aufgehoben worden.

GPS-Satellit
Auch satellitengestützte Systeme wie das Global Positioning System (GPS) geben nicht alle Daten an alle frei. © Geegle Earth

GPS und Co: Störfunk gegen zu genaue Daten

Doch Karten sind nicht die einzige digitale Geo-Information, in der um Präzision und Zugänge gerangelt wurde und wird. Auch das Global Positioning System (GPS), das am weitesten verbreitete System zur Positionsbestimmung und Navigation, gibt längst nicht jedem alle Daten preis. Ähnliches gilt für das europäische Galileo-System oder das russische GLONASS.

Grundprinzip all dieser Geoortungssysteme sind Signale von im geostationären Orbit kreisenden Satelliten. Mithilfe von über Atomuhren erzeugten Zeitcodes in den Satellitensignalen können Empfänger auf der Erde die Laufzeit der Signale zu ihrem Standort ermitteln. Aus mindestens drei solcher Signale errechnen sie ihre genaue Position auf der Erdoberfläche, mit Signalen von vier Satelliten sind auch Höhenmessungen sind damit möglich.

Wie genau GPS und Co sind, hängt jedoch davon ab, wer es nutzt. So wurde in der Anfangszeit des GPS die Präzision der öffentlich verfügbaren Positionsdaten sogar künstlich herabgesetzt. Ein Störsignal verschlechterte die Signalqualität künstlich und verringerte die Auflösung so nur 1000 bis 300 Meter. Der Grund: Potenziellen Gegnern der USA sollten genaue Positionsdaten und eine präzise Navigation vorenthalten werden. Nur das US-Militär hatte Zugriff auf die korrekten, verschlüsselten Signale.

Kein Zugang für alle

Erst im Mai des Jahres 2000 wurde diese „Selective Availability“ abgeschaltet. Dadurch erhöhte sich die Präzision des GPS-Systems auch für zivile Navigationssysteme und GPS-Empfänger. Je nach Standort liegt die rohe, unkorrigierte Genauigkeit bei rund fünf bis zehn Metern. Die meisten GPS-Geräte verfügen aber über die Fähigkeit, zusätzliche Korrektursignale auszuwerten. Diese werden von Bodenstationen erzeugt und an spezielle Satelliten übermittelt. Deren Signale zusammen mit den GPS-Daten erhöhen die Genauigkeit der Ortung auf rund zwei Meter.

Doch auch das entspricht nicht der vollen Leistung des GPS-Systems. Denn die Ortung mittels Satelliten ist dank immer besserer Zeitmessung und ausgefeilten Korrekturprozessen inzwischen sogar bis auf den Zentimeter oder sogar Millimeter genau möglich. Diese hochgenauen Daten werden jedoch verschlüsselt und sind dem Militär vorbehalten. Eine weitere Stufe können diejenigen nutzen, die für diese Dienste entsprechend bezahlen.

Ähnliches gilt für das europäische System Galileo: Auch hier gibt es ein ungenaueres offenes System und ein verschlüsseltes mit den präzisesten Positions-Informationen. Diese können nur das Militär und behördlich autorisierte Nutzer abrufen.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Kleine Tricks und große Lügen
Manipulation und Geheimhaltung mit Kartografie und Geodaten

Die Schatztruhe des Padron Real
Die Entdecker und ihre Geheimnisse

Landvermessung und Grenzziehungen
Krieg und Landgewinn mit kartografischen Mitteln

Verzerrte Gitter und wandernde Dörfer
Kalter Krieg – High Noon für Kartenfälscher

Die Wahrheit ist relativ
Kartografische Manipulation durch Darstellung und Projektion

Digitale Kartenspielereien
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