Noch vor 40 oder 50 Jahren wäre die Frage nach Intelligenz und Bewusstsein bei Tieren einfacher und schneller zu beantworten gewesen. Damals war der Fall klar. Der Mensch besaß nach Ansicht der Wissenschaftler eine Sonderstellung unter den Lebewesen und galt als einziges intelligentes Wesen auf der Erde.
Schon Platon zog im antiken Griechenland um 400 vor Christus eine klare Grenze zwischen Mensch und Tier. Zwar besaßen die Tiere seiner Meinung nach mehrere Seelen, die erkennende Seele jedoch war ausschließlich dem Menschen vorbehalten. Nach Meinung von Philosophen wie Aristoteles trennte vor allem die Sprache den Menschen vom Tier – ein Argument, das auch heute noch durchaus Gültigkeit hat. Durch die Fähigkeit zu reden und zu kommunizieren – so Aristoteles – sei er in der Lage, zwischen gerecht und ungerecht zu unterscheiden und sich darüber auszutauschen.
Die Vorstellungen von Platon und Aristoteles über die Unterschiede zwischen Mensch und Tier waren lange Zeit unumstritten. Spätestens im Mittelalter und der Neuzeit wurden sie dann aber von einer Sichtweise abgelöst, die das Tier als Ding betrachtete, das dem Menschen Untertan und Nutzgegenstand war. Tiere hielt man – auch unter Wissenschaftlern – für rein vom Instinkt regierte und getriebene Wesen – bis zu einem gewissen einfachen Grad lernfähig zwar – aber niemals zu intelligenten Handlungen oder gar zu Kultur fähig.
Noch Mitte des 20. Jahrhunderts gingen Wissenschaftler und Naturbegeisterte davon aus, das Tiere zwar in Laboren oder im Zirkus erstaunliche Kunststücke vollbringen können, in freier Natur jedoch niemals Werkzeuge benutzen oder einsichtiges und vorausschauendes Handeln zeigen.
Später galt ein Tier dann als intelligent, wenn es Forschern gelang ihm menschliche Fähigkeiten wie Sprechen, Zeichen verstehen oder Zählen beizubringen. Für Affen und auch für Delfine kein großes Problem. Heute suchen Wissenschaftler jedoch auch nach ganz anderen Anzeichen für Klugheit oder Bewusstsein bei Tieren. Sie analysieren beispielsweise wie Krähe, Hund & Co. die Probleme, die ihnen ihre Umwelt stellt, lösen, auf welche Art sie miteinander kommunizieren oder ob sie dabei beispielsweise auch gezielt Täuschungsmanöver einsetzen.
Umweltintelligenz und soziale Intelligenz
„Wir erforschen zweierlei Arten von Intelligenz: einerseits die technische, physikalische Intelligenz, aber auf der anderen Seite – und das steht bei uns im Vordergrund – die soziale Intelligenz, die notwendig ist, um sich in der Gruppe zu behaupten“, erläuterte beispielsweise Professor Ludwig Huber von der Universität Wien in der Wissenschaftssendung „Nano“ die neue Vorgehensweise. Er arbeitet mit Keas, den angeblich schlauesten Vögeln der Welt. Für Huber ist Lernen durch Beobachtung das entscheidende Kriterium für das „Tierabitur“ in Sachen sozialer Intelligenz. Ob die Keas dazu in der Lage sind, weiß er allerdings noch nicht.
Was Huber als technische Intelligenz bezeichnet, ist für andere Forscher schlicht und einfach Umweltintelligenz. Ein Beispiel: Englische Blaumeisen haben gelernt die Deckel der Flaschen, die der Milchmann jeden Morgen vor den Haustüren abliefert, mit ihrem Schnabel zu durchlöchern und anschließend einen Teil der Milch zu stibitzen. Die Methode, die zunächst nur in einer eng umgrenzten Region zum Einsatz kam, wurde schnell und häufig „kopiert“ und ist nun über ganz Großbritannien verbreitet. Auch Tintenfische, die verschraubte Marmeladengläser öffnen, um an eine begehrte Beute zu kommen (und dies auch noch durch Nachahmung von Artgenossen lernen).
Wie Tiere auf die Umwelt reagieren oder mit anderen Organismen zusammenleben, ist jedoch von Art zu Art unterschiedlich. Einige Wissenschaftler sprechen deshalb mittlerweile von Kraken- oder von Otterintelligenz. Ob die Tintenfische aber klüger sind als Meisen oder Hunde schlauer als Katzen – diese Frage können die Forscher heute noch nicht eindeutig beantworten.
Stand: 29.10.2004