Dass schwerwiegende Chemieunfälle nicht nur in Entwicklungsländern mit ihren oft unzureichenden Sicherheits- und Umweltschutzauflagen möglich sind, hatte schon vor Bhopal das Seveso-Unglück gezeigt. Dieses ereignete sich im Herzen Europas, in der italienischen Region Lombardei.

Menschliches Versagen
Unweit von Mailand wurde in den 1970er Jahren im Städtchen Meda in der chemischen Fabrik Icmesa Trichlorphenol (TCP) produziert. Dieses TCP benötigen Chemiker um Hexachlorophen herzustellen, das noch heute als Desinfektionsmittel oder in Wasch- und Reinigungsmitteln zum Einsatz kommt. Früher war es beispielsweise in Deutschland aber auch in vielen anderen Ländern in Kosmetika enthalten.
Am 10. Juli 1976, um 12.37 Uhr mittags, kam es aufgrund eines menschlichen Bedienungsfehlers in einem Behälter der Anlage zu einer gefährlichen Überhitzung und ähnlich wie in Bhopal zu einer starken Druckerhöhung. Das Problem: Steigt die Temperatur im Kessel zu sehr an, entstehen bei der TCP-Produktion große Mengen an Dioxin.
Hochgiftiges TCDD
Genau dies war denn auch im Reaktionskessel 101 der Fall, aus dem nach dem Öffnen eines Sicherheitsventils bis zu drei Kilogramm 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) in die Luft geblasen wurden. Doch TCDD hat es in sich. Es gilt als eines der stärksten Gifte überhaupt. Schon ein Millionstel Gramm reicht völlig aus, um Nagetiere wie Ratten oder Meerschweinchen zu töten. Beim Menschen hat es unter anderem eine krebsauslösende Wirkung.