Wie stark hat sich die Oberfläche in den verschiedenen Permafrostgebieten bereits erwärmt? Wie tief ist der Boden aufgetaut? Und welche Mengen Kohlenstoff stecken in dieser aktiven Schicht? All diese Fragen beantwortet nun eine interaktive Karte, die Moritz Langer vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Potsdam erstellt haben. „Auf dieser Karte kann man sich anzeigen lassen, wie sich bestimmte Eigenschaften des Klimas und des Permafrosts seit dem Jahr 1800 entwickelt haben“, erklärt der Forscher.
Drei Hotspots des Permafrost-Verlusts
Die Rekonstruktion bestätigt nicht nur, dass sich der arktische Permafrost seit präindustrieller Zeit insgesamt erwärmt hat und dass er von Süden her immer weiter abtaut. Sie zeigt auch, dass es dabei große regionale Unterschiede gibt: „Wir haben drei Hotspot-Regionen mit Erwärmungen über einem Grad identifiziert: im Nordosten Kanadas, im Norden Alaskas und West-Sibirien“, berichten Langer und sein Team. „In einigen Netzzellen überschreitet die Erwärmung drei Grad.“
Ähnlich uneinheitlich ist auch die Abtau-Geschwindigkeit des Dauerfrostbodens: Vor allem am Südrand der drei Hotspotzonen hat sich die aktive, vom Abtauen betroffene Schicht von früher zwei Metern bis auf zehn Meter Tiefe verdickt. Während diese Randzone schmelzenden Untergrunds in Nordamerika relativ schnell weiter nach Norden vorrückt, ist dies in Eurasien deutlich langsamer der Fall. Der Dauerfrostboden ist dort offenbar noch etwas stabiler als in Kanada und Alaska.
136.000 Quadratkilometer weniger pro Jahrzehnt
Doch die Computermodelle enthüllen auch, dass die riesige „Tiefkühltruhe“ des Permafrosts insgesamt immer weiter schrumpft. In den letzten 150 Jahren hat sich die Gesamtfläche des arktischen Dauerfrostbodens um rund zwölf Prozent verringert. Der größte Verlust des gefrorenen Untergrunds hat sich dabei seit 1950 ereignet, wie die Forschenden ermittelten. Seit dieser Zeit schrumpft die arktische Permafrostregion um rund 136.000 Quadratkilometer pro Jahrzehnt – das ist doppelt so schnell wie noch im Jahrhundert davor.
Das Abtauen des Untergrunds von oben her hat Folgen für die Treibhausgas-Emissionen der Permafrostgebiete. So geben die Böden in den aktuell auftauenden Gebieten dem Modell zufolge im Schnitt 42,6 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter ab – ein Großteil davon in Form der potenten Treibhausgase Methan und CO2.
Zwei-Grad-Ziel rettet auch den Permafrost
Was aber bedeutet dies für die Zukunft? Auch das haben Langer und sein Team mithilfe ihrer Computersimulation untersucht. Dafür spielten sie die Abtauraten und Erwärmungstrends für drei Klimaszenarien mit niedrigen, mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen durch. Welche Folgen dies für verschiedenen Permafrostgebiete hätte, zeigt ebenfalls die interaktive Karte. Demnach könnte ein großer Teil der Dauerfrostböden stabil bleiben, wenn der Klimawandel auf unter zwei Grad Erwärmung begrenzt bleibt.
„Leider steuern wir im Moment aber auf eine viel stärkere Erwärmung zu“, gibt Moritz Langer zu bedenken. Und die dazu passende Simulation, die je nach Region mit 4 bis 6 Grad Erwärmung rechnet, zeichnet ein düsteres Bild: Bis zum Jahr 2100 hätte das große Tauen dann so gut wie jeden Winkel im Reich des Permafrosts erfasst. Nach Ansicht der Forschenden wird das Schicksal des Permafrosts daher stark davon abhängen, welche Entscheidungen die Politik in den nächsten zehn Jahren bezüglich der Treibhausgas-Emissionen trifft.
„Wir können durchaus noch etwas tun“, betont Jens Strauss von AWI. „Für Resignation haben wir keine Zeit.“ So gibt es angesichts der rasanten Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien nach Einschätzung der Fachleute durchaus realistische Möglichkeiten, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 ganz zu stoppen – wenn man bereit ist, entsprechend konsequent zu handeln.
Quelle: Langer et al.; EGUsphere Preprint, 2022; doi: 10.5194/egusphere-2022-473