Den „khadag“ mochte Bromus gar nicht, als er den Steppenboden im Khomin-Tal betrat. Dabei sollte das als Geschenk dargebrachte blaue Seidentuch, das ihm vor die Nase gelegt wurde, die Ewigkeit symbolisieren. Denn auf ewig sollten Bromus, der Przewalski-Hengst, und die anderen elf Tiere seiner Herde in ihre alte Heimat zurückkehren. Die Chancen, dass der „khadag“ seinen Zweck erfüllt, stehen derzeit gar nicht schlecht.
Aus Frankreich in die Mongolei
Die traditionelle Zeremonie, mit der im September 2004 eine Ladung Przewalski-Pferde aus Frankreich in der Mongolei begrüßt wurde, zeigt den Stellenwert dieser Tiere im Lande Dschinghis Khans. In der Mongolei, zwischen Russland und China gelegen, vier Mal so groß wie Deutschland mit nur 2,3 Millionen Einwohnern, läuft seit über zehn Jahren ein Wiederansiedelungsprojekt für Przewalski-Pferde, die einzigen Wildpferde, die es weltweit noch gibt.
Przewalski-Pferde oder Takhis, wie sie auch genannt werden, gehören zu den Ureinwohnern der eurasischen Steppe. Bis in die Wüste Gobi hinein waren sie hier einst beheimatet. Die Mongolei gilt als eines der unberührtesten Länder der Erde mit noch weitgehend intakten Grassteppen, Halbwüsten und Wüsten. Dennoch wurden die Takhis auch hier durch Wilderei, schlechtere Weidemöglichkeiten, Dürrejahre und eisige Winter so stark dezimiert, dass internationale Organisationen und die mongolische Regierung Anfang der 90er Jahre beschlossen, Przewalski-Pferde, die in verschiedenen Zoos weltweit gezüchtet werden, auszuwildern.
Seit 1992 sind so über 70 Takhis in die Mongolei gebracht worden. Die Tiere haben sich so gut adaptiert, dass in freier Wildbahn 60 Fohlen geboren wurden. Zwar hat die Hälfte aller Tiere nicht überlebt, aber mittlerweile bilden etwa 60 Pferde fünf verschiedene Herden, die zwar unter
Beobachtung stehen, sich aber sonst völlig selbst überlassen sind.
Bekannte Probleme
Das Beispiel der Takhis zeigt die Konsequenz, mit der die Mongolei versucht, das Land vor zunehmenden Umweltgefahren zu bewahren. Denn längst hat der Fortschritt auch die menschenleeren Weiten hinter dem Altai-Gebirge erreicht. Eines der größten Probleme des Landes ist auch hier die Überweidung der Steppen. Denn die nomadischen Viehhaltung geht zurück. Dagegen sind vor allem die Bestände der Kaschmirziegen wegen der hohen Nachfrage der Wolle in den letzten Jahren derartig angestiegen, dass die Grassteppen im Osten des Landes akut bedroht sind.
Problematisch ist das vor allem für zum Teil nur noch in der Mongolei heimische Tierarten, wie die Mongolische Gazelle. Sie präsentiert heute das, was auch die Saiga-Antilopen früher waren: riesige, mit den Jahreszeiten migrierende Herden, die noch weitgehend ungehindert durch die Steppe ziehen. Wissenschaftler gehen heute von mehr als einer Million Mongolischer Gazellen aus. Doch die geplante Eisenbahnstrecke, die genau durch die östliche Steppe und damit mitten durch die Wanderwege der Gazellen führen soll, ist derzeit eine akute Bedrohung, vor der der WWF warnt. Für ebenso absurd hält die Umweltorganisation die Tatsache, dass jährlich noch etwa 20.000 Jagdlizenzen für die Gazellen erteilt werden, während es in der Mongolei mittlerweile einen Viehbestand von mehr 23 Millionen Nutztieren gibt, von denen ein großer Teil aufgrund schlechter Weide- oder Wetterbedingungen umkommt.
Modernes Management
Dennoch ist die Mongolei relativ beispielhaft beim Umgang mit ihrem Naturerbe. Über 13 Prozent des Landes gehören zu Schutzgebieten. Gemeinsam mit internationalen Organisationen bemüht man sich um ein professionelles Management der Reservate. Ranger haben beispielsweise weitgehende Konsequenzen gegenüber Wilderern, die sie festsetzen dürfen, um sie der Polizei zu übergeben. Und auch die Vermarktung der Nationalparke, die auf eine Mischung aus mongolischer Tradition und modernem Abenteuerurlaub setzen, um sich auch aus Touristenbesuchen zu finanzieren, ist zunehmend professionell. Bromus, der Takhi-Hengst, den man dabei unter Umständen zu Gesicht bekommt, dürfte dabei als nur eine von vielen Attraktionen gelten.
Stand: 10.06.2005