Bevor die Wissenschaftler den Monsun bis ins letzte Detail verstanden haben, verändert er sich bereits wieder – und die Menschen sind schuld. Zwar ist der Monsun auch natürlichen Klimaschwankungen unterworfen, doch vor allem in den letzten 50 Jahren haben sich die Auswirkungen des Monsuns in Indien dank menschlicher Klimabeeinflussung extrem zugespitzt. Während etwa im Jahr 2002 der Regen nahezu völlig ausblieb und eine landesweite Dürre folgte, starben in den überdurchschnittlich starken Monsunniederschlägen 2005 über 1.000 Menschen allein in Mumbai.
Die Klimaveränderung ist kein Mythos mehr und die Auswirkungen sind bereits spürbar. Besonders der Anstieg klimarelevanter Spurengase wie Kohlendioxid (CO2) haben den Treibhauseffekt der Atmosphäre verstärkt, wodurch sich die Lufttemperatur erhöht. Wie sich die Klimaerwärmung genau auf regionale Wettersysteme auswirkt, untersuchen Wissenschaftler zurzeit unter Hochdruck.
Der Klima-Experte Mojib Latif vom Max-Plank Institut für Meteorologie in Hamburg hat den indischen Monsun unter die Lupe genommen: „Es gilt in der Klimaforschung als erwiesen, dass der Treibhauseffekt in den nächsten 20 bis 30 Jahren die Auswirkungen des Monsuns in Asien deutlich verstärken wird.“ Da der Monsun von dem Unterschied der Lufttemperatur zwischen Kontinent und Meer lebt, ist er besonders beim Anstieg der Temperatur empfindlich. Zwar bleibt das System bei einer gleichmäßigen Erwärmung über Land und Wasser grundsätzlich stabil. Doch von dem wärmeren Oberflächenwasser des Meeres verdunstet mehr Feuchtigkeit, die von der wärmeren Luft zusätzlich aufgenommen werden kann: Je wärmer es wird, desto mehr Niederschlag bringt der Monsun. Eine einfache Formel – vielleicht zu einfach.
Neben klimawirksamen Gasen beeinflussen vor allem kleinste Schwebeteilchen in der Atmosphäre das Klima. Sie reflektieren oder absorbieren einen Teil des Sonnenlichtes noch bevor es die Erdoberfläche erreichen kann. Im Sommer 2005 haben daher Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die Auswirkung dieser „Aerosole“ auf den Monsun in Indien untersucht. Durch zunehmende Auto- und Industrieabgase, sowie großflächige Brände in der Vegetation hat sich in der Atmosphäre über Indien aus den Rußpartikeln eine dauerhafte braune Smogwolke gebildet. Im „Schatten“ dieser Aerosol-Wolken sinkt die Temperatur über der Landmasse.. Weitläufige Waldrodungen verwandeln zudem die ehemals dunkle Vegetation in helle Oberflächen, die statt die Sonnenenergie aufzunehmen und in Wärme zu verwandeln, diese nur reflektieren. Der indische Subkontinent kühlt ab.
Doch je geringer der Temperaturunterschied zwischen dem kühleren indischen Ozean und dem wärmeren Festland ausfällt, desto schwächer weht der Monsun nach Indien. Das Forschungsteam um die Physikerin Kirsten Zickfeld warnt sogar vor einem Zusammenbruch des Monsuns, sobald die Temperatur über dem Festland unter einen Schwellenwert rutscht.
Der Monsun wird extremer – nur wie?
Wird der Subkontinent nun wärmer, oder kühler? Kommen Überschwemmungen oder Dürre? Bislang konnten die Wissenschaftler aus Mangel an Daten noch keine realistische Prognose berechnen, um etwa vorherzusagen welcher Effekt dominieren wird. Im schlimmsten Fall würde wohl ein „Achterbahn-Szenario“ entstehen: Für einige Jahre unterdrücken die Aerosole den Monsun und Indien vertrocknet, nur um in den Jahren darauf durch den gewachsenen Treibhauseffekt von Extrem-Niederschlägen überschwemmt zu werden.
Gegen die Entweder-Oder Erklärung der Potsdamer Wissenschaftler spricht eine Studie der Amerikaner Chul Chung und V. Ramanathan von der Universität in San Diego. In einer Veröffentlichung vom Mai 2006 gehen die Meteorologen zwar auch von den beiden konkurrierenden Klimaszenarien aus, die sich ihrer Ansicht nach jedoch nicht gegenseitig ausschließen müssen. Während der Treibhauseffekt das Meer aufwärmt und mehr Regen in Richtung Indien drückt, zieht die Abkühlung der Landmasse durch die Aerosole den Monsun nach Süden. Die Hochdruckgebiete des Monsuns suchen sich dann ein neues Ziel mit tieferem Druck als das abgekühlte Indien.
Die Klimaforscher vermuten, dass der Monsun dadurch zwar nicht zum Erliegen kommt, sich aber gravierend verschieben wird: In einigen Jahren wird die Konzentration der Aerosole in der Atmosphäre so hoch sein, dass sich der Monsun von Indien an den Äquator oder sogar in den südlichen Ozean verschiebt. In anderen Jahren setzt sich wiederum der Treibhauseffekt durch, der Monsun sammelt Feuchtigkeit und nimmt wieder Kurs auf Indien.
Obwohl beide Forschungsstudien einen unterschiedlichen Verlauf des Monsuns für die Zukunft skizzieren, bleiben die Auswirkungen für Indien fast gleich. Die Regelmäßigkeit des Monsuns, mit der indische Bauern die Bewässerung ihrer Felder bisher planten, wird bald ein Ende haben. Der Subkontinent steht vor der Herausforderung, die CO2-Abgase und den Ausstoß von Rußpartikeln zu reduzieren, um die Veränderung des Monsuns zu verringern. Doch zeitgleich können nur Bewässerungsanlagen und Hochwasserschutz vor den Katastrophen schützen, die sich bereits abzeichnen – denn die Klimaerwärmung hat schon lange begonnen.
Stand: 21.07.2006