Bis heute hat die minoische Linearschrift A ihr Geheimnis bewahrt: Trotz mehr als einem Jahrhundert der Entzifferungsversuche ist es Wissenschaftlern bisher nicht gelungen, diese Schrift zu lesen und zu verstehen.

Einer der Hauptgründe dafür: Wir wissen nicht, welche Sprache die Minoer nutzten oder zu welcher der großen Sprachfamilien ihre Sprache gehörte. Selbst den Namen, den sich die Angehörigen dieser ersten europäischen Hochkultur selbst gaben, kennen wir nicht. „Minoer“ taufte sie erst der britische Archäologe Arthur Evans um 1900. Er war angesichts der in den Palästen entdeckten Fresken mit Stiermotiven überzeugt, dass dies die Kultur des aus griechischen Sagen bekannten König Minos gewesen sein müsse.
Woher kamen die Minoer?
„Wenn wir die Sprache hinter Linear A kennen würden, dann könnte uns das auch einen Hinweis auf die Herkunft dieser Kultur geben“, erklärt Ester Salgarella von der University of Cambridge. „Wer waren diese Besiedler von Kreta? Wo kamen sie her?“ Bekannt ist nur, dass die Bevölkerung der Insel vor rund 5.000 Jahren plötzlich stark zunahm – möglicherweise durch die Ankunft neuer Siedler. Kurz darauf entstanden die ersten größeren Bauten und Paläste. Die zuvor bäuerliche Kultur Kretas wandelte sich zu einer komplexen und fortschrittlichen Hochkultur.
Arthur Evans und einige andere Historiker vermuteten, dass dieser Entwicklungsschub auf Flüchtlinge aus Ägypten oder einer der anderen frühen Hochkulturen des Nahen Ostens zurückging. „Er begründete dies mit auffallenden Ähnlichkeiten zwischen der minoischen und ägyptischen Kunst“, erklärt Jeffery Hughey vom Hartnell College in Kalifornien. Auch in der Hieroglyphenschrift und den Bestattungsformen gab es Übereinstimmungen, so ähnelten die Rundgräber der frühen Minoer stark den damals im Nahen Osten üblichen Grabbauten.