Ebbe und Flut – das nie endende Wechselspiel der Ozeane. „Schuld“ an diesen bekannten Gezeitenphänomenen sind in erster Linie Sonne und Mond und die Erdrotation. Auf der mondzugewandten Seite der Erde folgen die Wassermassen des Blauen Planeten der Anziehungskraft des Mondes und sammeln sich dort zu einem gewaltigen „Flutberg“.
Auf der mondabgewandten Hälfte ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten. Die Begründung dafür liegt jedoch in der Fliehkraft, die bei den Drehungen von Erde und Mond entsteht. In einem Rhythmus von 12 Stunden und 25 Minuten wandern diese Wassermassen seit Jahrmillionen über die Ozeane der Welt.
Während der Tidenhub – die Differenz des Wasserstandes zwischen Ebbe und Flut – auf dem offenen Meer normalerweise einen Meter kaum überschreitet, kann sich der Effekt in günstig gelegenen, trichterförmig geformten Buchten oder in der Nähe von Flussmündungen erheblich verstärken. Das beste Beispiel dafür ist die Fundy-Bay an der Ostküste Kanadas. Sie ist der Weltrekordhalter in Bezug auf den Tidenhub. Regelmäßig erreicht die Differenz des Wasserspiegels zwischen Ebbe und Flut hier Werte von mehr als 20 Metern – für die Verhältnisse an der deutschen Norseeküste so gigantisch wie die Größe der mutierten Riesenechse Godzilla auf ihrem Pfad der Zerstörung durch die japanischen Mega-Cities.
Schon seit mehr als 100 Jahren träumen Wissenschaftler davon, die gewaltige Energie dieser Gezeiten für den Menschen zu nutzen. Damit aber ein Gezeitenkraftwerk richtig arbeiten kann – so haben die Energiexperten herausgefunden -, ist ein durchschnittlicher Tidenhub von etwa drei bis fünf Metern erforderlich. Nur in etwa 100 Küstenregionen weltweit sind deshalb die Bedingungen so gut, dass ein solches Kraftwerk rentabel arbeiten könnte. Die Lösung aller Energieprobleme der Menschheit wird die Energie aus der Gezeitenkraft demnach nicht bringen. Auf lokaler Ebene kann sie in Zukunft allerdings deutlich an Bedeutung gewinnen.
In Deutschland erreichen die Gezeiten weder an Nord- geschweige denn an der Ostsee die erforderlichen Ausmasse. Der Bau und Betrieb eines Gezeitenkraftwerks lohnt sich deshalb nicht.
Perfekte Standorte dagegen finden sich beispielsweise am Weißen Meer im Norden Russlands, in der schon genannten Fundy-Bay in Kanada und last but not least an der französischen Atlantikküste.
Stand: 14.05.2001