Bisher gab es zwei Theorien darüber, ob und wie die Przewalski-Pferde mit den domestizierten Hauspferden verwandt sind. Der einen nach entstanden die Hauspferde vor 6.000 bis 10.0000 Jahren aus Przewalski-Pferden. Der anderen nach war es jedoch genau umgekehrt: Erst züchtete der Mensch das Hauspferd aus damaligen Wildpferden, dann zweigte das Przewalski-Pferd von der Hauspferdelinie ab. Klare genetische Unterschiede gibt es auf jeden Fall: Im Gegensatz zum domestizierten Hauspferd mit 64 Chromosomen hat das Przewalski-Pferd 66 Chromosomen.
Letzter gemeinsamer Vorfahr lebte vor 160.000 Jahren
Im Jahr 2011 machten sich US-amerikanische Forscher auf die Suche nach einer Klärung. Sie analysierten erstmals vier komplette mütterliche Erblinien der Przewalski-Pferde und kamen dabei zu einem völlig anderen Schluss: „Mein Team hat nun entdeckt, dass keines dieser beiden Szenarien wahrscheinlich ist“, sagt Studienleiterin Kateryna Makova von der Penn State University. „Tatsächlich liegt der letzte gemeinsame Vorfahre beider wahrscheinlich sogar 160.000 Jahre zurück, lange vor der Domestizierung der Hauspferde“, so die Forscherin. Das habe sich auch bestätigt, als man zusätzlich auch Teile der Kern-DNA beider Pferdearten verglichen habe. Beide seien deutlich entfernter verwandt als bislang angenommen. Dies werfe ein ganz neues Licht auf die Evolution der Pferde.
Die genetischen Daten könnten aber auch dazu beitragen, das stark bedrohte Przewalski-Pferd vor dem Aussterben zu retten. Nach Angaben der Wissenschaftler leben heute nur noch rund 2.000 Exemplare dieser Wildpferdart frei in China und der Mongolei. „Jetzt, wo wir mehr über die verschiedenen mütterlichen Stammeslinien wissen, können wir den Genpool dieser Art besser ausweiten“, sagt Makova. Durch gezielte Zucht könne man nun Erbkrankheiten besser verhindern und die Przewalski-Pferde robuster machen.
DNA aus den Mitochondrien
Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler erstmals das komplette mitochondriale Genom von vier Zuchtlinien der Przewalski-Pferde analysiert. Dieser Teil des Erbguts liegt nicht im Zellkern, sondern in den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“. Die DNA in diesem Zellbestandteil wird nur von der Mutter über die Eizelle an ihren Nachwuchs weitergegeben. Anhand dieses Erbguts lassen sich daher die Stammbäume der mütterlichen Linie bis weit zurück rekonstruieren.
Die Analyse habe unter anderem ergeben, dass die genetische Vielfalt der heute lebenden Przewalski-Pferde größer sei als bislang angenommen, berichten die Forscher. Das sei überraschend, da die Wildpferde Mitte des letzten Jahrhunderts fast ausgestorben waren. Erst Zucht- und Auswilderungsprogramme ließen die Anzahl der Tiere wieder auf rund 2.000 ansteigen.
Die Forscher wollen als nächstes das Genom weiterer Pferderassen analysieren und langfristig auch das komplette Erbgut des Przewalski-Pferdes. Davon erhoffe man sich nähere Aufschlüsse über die Evolution der Tiere, aber auch über die körperlichen Unterschiede von Przewalski-Pferd und Hauspferden. „Es war schon immer eine interessante Frage, warum das Przewalski-Pferd so viel stämmiger und kleiner ist als das Hauspferd und warum es eine dichtere Mähne hat“, sagt Makova. Weitergehende Analysen könnten enthüllen, welche Gene dafür verantwortlich sind.
Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012