Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die ersten Schnabeltiere in Europa eintrafen, hielt man sie zunächst für gut gemachte Fälschungen. Ein biberähnliches, pelziges Tier mit erbsengroßen Augen, Schwimmhäuten und einem Entenschnabel? Kein Gelehrter wollte sich damals blamieren und öffentlich die Existenz eines solchen Fabelwesens befürworten. Die schier unglaubliche Behauptung, dass dieses Tier Eier legt, aber seine Jungen säugt, kam da gerade noch recht.
Forscher haben mittlerweile herausgefunden, dass dieses Relikt der Vergangenheit eines der ursprünglichsten Säugetiere ist. Das Schnabeltier gehört aber nicht zu den Beuteltieren, sondern zu der eigenen Ordnung der Monotremata. Dies bedeutet wörtlich "Einlochtiere" und beschreibt eine wichtige Eigenheit, nämlich den Besitz einer Kloake, einer einzigen Öffnung für Exkremente und Fortpflanzung.
Das Schnabeltier weist einerseits Merkmale von Säugetieren auf – das Vorhandensein eines Fells und Milchdrüsen, mit denen die Jungen gesäugt werden – andererseits legt es aber Eier wie die Vögel und Reptilien und besitzt die eben schon angesprochene Kloake. Einen Beutel wie die Beuteltiere hat es nicht, es zieht die Jungen in unterirdischen Bauen groß.
Milch von der Haut ablecken
Nachdem das Schnabeltier ein bis drei Eier abgelegt hat, bebrütet es diese im unterirdischen Brutkessel in der Regel 10 Tage lang. Nach dem Schlüpfen werden die Jungen von der Mutter gesäugt. Da die Schnabeltiere keine eigentlichen Zitzen haben, müssen die Kleinen die Milch, die von speziellen Drüsenfeldern abgegeben wird, von der Haut ablecken.
Das Schnabeltier lebt an abgelegenen Gewässern Ostaustraliens und ist mittlerweile so selten geworden, dass man kaum noch eines zu Gesicht bekommt. Wie die Beuteltiere ist es am stärksten durch den Menschen bedroht, da dieser seinen ursprünglichen Lebensraum vernichtet.
Spezialisten im und am Wasser
Das Tier hat sich sehr gut an das Leben im und am Wasser angepasst, wo es auch auf Beutefang geht. Augen und Ohren werden beim Tauchen in einer Furche verborgen, das Fell ist eines der am meisten wasserabweisenden unter den Säugetieren. Obwohl Augen und Ohren sehr gut entwickelt sind, verlässt es sich im Wasser nur auf seinen Schnabel. Dieser ist ein besonderes Sinnesorgan. Es besitzt viele Tastkörperchen und ist ein empfindliches Instrument zur Nahrungssuche. Hiermit gründelt das Schnabeltier nach Krebschen, Insekten und Fröschen. Sogar elektrische Ströme im Wasser, die durch die Muskelaktivität der Beutetiere erzeugt werden, kann das Schnabeltier mit diesem außergewöhnlichen "Multifunktionsorgan" orten.
Etwas Besonderes ist auch der Giftsporn an den Hinterbeinen der Männchen. Damit ist das Schnabeltier das einzige Säugetier der Welt, das einen Giftapparat entwickelt hat. Dieser ist jedoch völlig anders aufgebaut als beispielsweise der der Schlangen – ein weiterer Hinweis darauf, dass sich das Schnabeltier stammesgeschichtlich von den Reptilien entfernt hat. Soweit die Forscher herausgefunden haben, wird der Stachel nicht zum Beuteerwerb eingesetzt, sondern er dient der Verteidigung und wird auch bei Revierkämpfen benutzt. Das Gift ist stark genug, um beim Menschen unangenehme Schmerzen zu erzeugen.
Stand: 06.10.2006