Der Mythos von El Dorado beschäftigt aber nicht nur die Spanier: Ende des 16. Jahrhunderts wird auch ein berühmter englischer Seefahrer und Entdecker vom „Goldvirus“ angesteckt: Sir Walter Raleigh. Nachdem er durch eine ungenehmigte Heirat ohnehin bei Königin Elisabeth I. in Ungnade gefallen ist, macht er sich nach Südamerika auf, um nun selbst nach dem Goldland El Dorado zu suchen.
Den Orinoco hinauf
Der englische Seefahrer glaubt auch schon zu wissen, wohin seine Expedition führen muss: den Orinoco hinauf. Denn kurz nach seiner Ankunft in Trinidad berichtet ihm ein gefangener Spanier, dass eine legendäre Goldstadt namens Manoa am Caroni-Fluss liegen soll, einem der Nebenflüsse des Orinoco. 1595 folgt Raleigh mit vier Schiffen dem Lauf des Orinoco flussaufwärts bis zur Einmündung des Caroni. Immer wieder hört er in den Dörfern am Flussufer Erzählungen von einer reichen Kultur in der Bergen – was ihn in seinem Glauben an El Dorado bestätigt.
Tatsächlich sichtet Raleigh nach einigen hundert Kilometern Fahrt in der Ferne einige hochaufragende Berge mit seltsam abgeflachten Gipfeln. Der größte dieser Tafelberge, Mount Roraima, ragt mit mehr als 400 Meter hohen Klippen aus dem umgebenden Regenwald auf. Sollte dort El Dorado liegen? Die Antwort darauf muss die Expedition schuldig bleiben. Denn die einsetzende Regenzeit treibt die Entdecker zunächst zurück an die Küste.
Liegt El Dorado am Parime-See?
Im nächsten Jahr startet Raleigh einen neuen Versuch und schickt diesmal seinen Stellvertreter Lawrence Kemys auf die Reise. Dieser erkundet weite Teile Venezuelas und Guyanas und kommt mit begeisterten Berichten von Goldminen und dem Reichtum der Region zurück. Allerdings: El Dorado hat auch er nicht gefunden. Dafür aber bringt er eine genaue Beschreibung der Lage dieser Goldstadt mit: Sie soll am Ufer eines großen Sees im Süden Guyanas liegen, Parime-See genannt.
„Spanier, die diesen Ort gesehen haben, versicherten mir, dass die Größe, der Reichtum und die besondere Lage Manoas, der imperialen Stadt Guayanas, die die Spanier El Dorado nennen, alles andere Bekannte in der Welt übertrifft“, berichtet Raleigh. „Die Stadt liegt am Ufer eines Salzmeeres, ähnlich dem Kaspischen Meer, das 200 Meilen lang ist.“
In Karten verewigt
Zurück in England veröffentlicht Raleigh einen ausführlichen Reisebericht mitsamt der Ortsangabe des Lake Parime. Seine reichlich ausgeschmückte und aufgebauschte Schilderung wird ein Bestseller und motiviert Kartografen in ganz Europa dazu, fortan einen großen See im Süden Guyanas in ihre Karten aufzunehmen. Der Parime-See ist darauf südlich des Orinoco eingezeichnet und die Stadt Manoa – mutmaßlich das lange gesuchte El Dorado – liegt am Nordufer des Sees.
Das Problem nur: Zu Gesicht bekommen hat diesen See bisher kein einziger Europäer. Dennoch erscheint der Parime-See noch bis ins 18. Jahrhundert hinein auf zahlreichen Karten.