Zum Zeitpunkt des Tschernobyl-Unfalls gab es in Deutschland umfangreiche Messprogramme zur Umweltradioaktivität, allerdings waren diese im Wesentlichen auf sehr niedrige Umweltkontaminationen eingerichtet, wie sie 20 Jahre nach dem Ende der meisten atmosphärischer Atombombentests noch vorkamen. Die meisten Verfahren erforderten zeitaufwändige Anreicherungsschritte.
Im Prinzip waren die Labore auch für Schnellmessverfahren für höhere Kontaminationen eingerichtet, aber wegen der fehlenden Vorbereitungszeit konnten viele Messungen nur mit einer erheblichen Verzögerung durchgeführt werden. Ausnahmen bildeten das GSF-Institut für Strahlenschutz und die ehemaligen BGAInstitute für Strahlenhygiene und Atmosphärische Radioaktivität (jetzt beide im Bundesamt für Strahlenschutz), die schon früh nach der Katastrophe radionuklidspezifische Messungen der Luft- und Niederschlagskontaminationen durchführten und veröffentlichten.
Mit IMIS zu besserem Strahlenschutz
Die von den deutschen Behörden nach dem Tschernobyl-Unfall gemachten Erfahrungen flossen in das Konzept des so genannten Integrierten Mess- und Informationssystems (IMIS) ein. Grundlage dafür war das Strahlenschutzvorsorgegesetz, das noch im Jahre 1986 verabschiedet wurde. IMIS umfasst zirka 2.150 Stationen zur Messung der Gamma-Dosisleistung in der Luft und etwa 50 Stationen für nuklidspezifische Messungen. Diese Messungen werden online durchgeführt, im Normalbetrieb in einem Rhythmus von 24 Stunden, im Ereignisfall alle zwei Stunden. Die Messnetze werden durch Messfahrzeuge und Hubschrauber ergänzt.
Bei einer Erhöhung der Messwerte wird automatisch eine Frühwarnmeldung ausgegeben. In der Zentralstelle des Bundes werden die IMIS-Daten auf ihre Wertigkeit geprüft, grafisch dargestellt und weiterverarbeitet. So schätzt zum Beispiel das „Programmsystem zur Abschätzung radiologischer Konsequenzen“ (PARK) die durch eventuelle Umweltkontaminationen auftretenden Strahlenexpositionen der Bevölkerung ab. Nach Freigabe der IMIS-Datensätze durch das Bundesumweltministerium wird ein Teil der Daten im Internet veröffentlicht.
Neben der Verbesserung der Messsysteme spielen die Vereinheitlichung der Messverfahren und Datenformate, der organisierte Austausch von Informationen sowie eine gegenseitige Unterstützung bei Messaufgaben eine wesentliche Rolle beim vorsorglichen Strahlenschutz. Traditionell fallen Radioaktivitätsmessungen in der Umgebung von Kernkraftwerken in den Aufgabenbereich der Bundesländer, die flächendeckenden IMIS-Messungen dagegen in die Zuständigkeiten des Bundes. Durch die Umsetzung einer im Jahr 1998 von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe gemachten Empfehlung wurde erreicht, dass diese Messsysteme miteinander gekoppelt und harmonisiert werden.
Abkommen und Grenzwerte
Auf internationaler Ebene kam es noch im Jahre 1986 zu zwei unter Leitung der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) geschlossenen Abkommen: Das Abkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen und das Abkommen zur Hilfestellung bei nuklearen Unfällen oder radiologischen Notfällen. Der Rat der Europäischen Union erließ 1987 Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Falle einer radiologischen Notstandssituation. Allerdings sind die europäischen Messsysteme zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht harmonisiert.
Durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde auch deutlich, dass in Deutschland einheitliche Vorgaben zum Umgang mit radioaktiven Kontaminationen fehlten. Teilweise widersprüchliche Empfehlungen in den Bundesländern führten zu großen Verunsicherungen in der Bevölkerung. Mittlerweile wurden auf europäischer Ebene einheitliche Regeln eingeführt: In den Jahren 1989 und 1990 legte der Rat der Europäischen Union Höchstwerte für radioaktive Kontaminationen bei der Vermarktung von Lebens- und Futtermitteln fest.
Stand: 21.04.2006