Die Vögel zwitschern an diesem sonnigen Sommermorgen. Die Espressomaschine im Besprechungsraum des ESA-Außenbüros im Sternenstädtchen surrt. Es ist 8.30 Uhr. Juri Kargapolow sitzt vor seinem Computer, schreibt E-Mails, nimmt Telefonate entgegen. Seit 40 Jahren arbeitet der Russe im Juri-Gagarin-Trainingszentrum für Kosmonauten, dem GCTC (Gagarin Cosmonaut Training Center) 30 Kilometer östlich von Moskau. Er kennt jeden Grashalm des vier Quadratkilometer großen Geländes, hat unzählige Kosmonauten und ESA-Astronauten während ihrer Ausbildung hier begleitet.
Im GCTC lernen russische, europäische, japanische, amerikanische und kanadische Raumfahrer die Besonderheiten der russischen Raumfahrtsysteme kennen, vor allem die Sojus-Rakete und das gleichnamige Raumschiff, mit dem auch ESA-Astronaut Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation ISS fliegen wird.
Mit dem Fahrrad zur Sojus
Als hätte er seinen Namen gehört, öffnet Alexander Gerst eine der Türen, die von dem langen Flur in der ESA-Etage abgehen. Mit einem Lächeln auf den Lippen verlässt der nächste deutsche ISS-Astronaut sein Ein-Zimmer-Appartement. Im blauen ESA-Overall und mit einem schwarzen Rucksack auf dem Rücken geht er zügigen Schritts die Treppe hinunter und schwingt sich draußen auf sein weißes Mountainbike. Um 9.00 Uhr beginne sein Training im Sojus-Raumschiff, sagt er noch, bevor er in die Pedale tritt. Ich steige zu Juri Kargapolow ins Auto und wir nehmen auf vier Rädern die gleiche Route.
Im Sojus-Trainingscenter treffen wir uns fünf Minuten später wieder. Am Ende der großen Halle steht das „Corpus delicti“, in dem Gerst die nächsten drei Stunden verbringen wird. Viktor Spirin wird ihn begleiten und den 36-jährigen Astronauten mit der Technik und den Lebenserhaltungssystemen der Sojus-Kapsel vertraut machen.
DLR Magazin 135 / Elisabeth Mittelbach
Stand: 12.10.2012