Lange Zeit galten die Ozeane nur als passive Teilnehmer am globalen Klimakarussell, als praktische Puffer und Kohlendioxidsenken. Doch neuere Untersuchungen zeigen, dass die Weltmeere eine sehr viel aktivere Rolle im Klimageschehen spielen als bisher angenommen. Ähnlich wie die Luftmassen der Atmosphäre in ständiger Bewegung sind, wird auch das Wasser der Meere ständig umgewälzt. Die großen Meeresströmungen bewegen nicht nur gewaltige Wassermassen, sondern transportieren und verteilen dabei auch wie eine globale Klimaanlage Kälte und Wärme rund um den Globus.
Für das Klima der Küstenregionen, aber auch für das globale Klimasystem, sind Stärke und Verlauf der Meeresströmungen daher entscheidend. Ohne den wärmenden Einfluss des Golfstroms, der warmes Wasser aus dem tropischen Westatlantik bis vor die Küsten Großbritanniens und Skandinaviens bringt, wäre das Klima in Mittel- und Nordeuropa deutlich kühler. Im norwegischen Bodö liegen die Durchschnittstemperaturen dank dieser „Fernwärme“ im Januar mit „nur“ -2°C immerhin um 13 Grad höher als in Nome an der Westküste Alaskas, das auf der gleichen geographischen Breite liegt.
Auch England und Irland verdanken dem Golfstrom ihr typisches mildes und feuchtes Klima, das zwar fruchtbare Ernten, aber dafür auch jede Menge Nebel, Regen und höchst selten weiße Weihnachten bringt. Um dieses milde Klima zu erzeugen, sind allerdings auch gewaltige Wärmemengen nötig. Allein der Nordatlantikstrom transportiert rund 10 hoch 15 Watt Energie nordostwärts – eine Menge, die der Produktion von mehr als einer Million Kraftwerken entspricht.
Wie groß die Auswirkungen schon geringer Veränderungen von Meeresströmungen sein können, zeigt auch das El Nino-Phänomen im Pazifik. Normalerweise steigt vor der südamerikanischen Westküste kaltes Tiefenwasser nach oben und bildet den kalten Humboldtstrom. Gleichzeitig sorgen Ostwinde dafür, dass das warme Oberflächenwasser Richtung Westen abtransportiert wird. Alle paar Jahre schwächen sich diese Winde ab, dadurch staut sich das warme Wasser vor der südamerikanischen Küste und der kalte Humboldtstrom wird schwächer und verändert seine Bahn.
Die Folgen dieses scheinbar so lokal begrenzten Phänomens bekommen nicht nur die angrenzenden Regionen zu spüren, sie wirken sich auch auf das Klima weit entfernt liegender Regionen aus. Im Westen Nord- und Südamerikas, aber auch in Ostafrika regnet es in El Nino-Jahren deutlich mehr, Überschwemmungen, Stürme und Erdrutsche häufen sich. In Australien, Indonesien und dem südlichen Afrika dagegen fehlt der Niederschlag, ausgedehnte Dürreperioden lassen im Extremfall ganze Ernten vertrocknen. Aber warum? Weshalb reichen die Auswirkungen einer lokalen Veränderung der Meeresströmung gleich bis auf die andere Seite des Erdballs?
Stand: 21.10.2000