Im Laufe der Evolution haben fleischfressende Pflanzen eine große Vielfalt an Methoden entwickelt, um kleine Tiere anzulocken und zu fangen: Weltweit sind etwa 450 karnivore Pflanzenarten aus verschiedenen Verwandtschaftskreisen bekannt. Bei den meisten sind die Fangorgane mehr oder weniger stark umgewandelte Blätter. Die Aktivierung dieser Organe erfolgt entweder durch den Berührungsreiz eines Beutetiers oder wird durch chemische Signale in Form von Stickstoff- und Phosphatverbindungen ausgelöst.
Die Bandbreite an Jagdstrategien ist groß: Man unterscheidet bei fleischfressenden Pflanzen fünf verschiedene Fallentypen: Klebefallen, Klappfallen, Saugfallen, Reusenfallen und die Gleitfallen.
Ein verlockender Kleber
Der in Deutschland heimische Sonnentau (Drosera rotundifolia) besitzt eine sogenannte Klebefalle. An den Laubblättern der Pflanze befinden sich rötliche Drüsenhaare. Die Drüsen dieser Tentakel sondern klebrige Tropfen ab, die in der Sonne glitzern und Insekten anlocken. Das Sekret besteht aus einer klebrigen Zuckerlösung und duftet nach Nektar.
Wird eine Fliege, ein Käfer oder auch eine Libelle angelockt, bleibt das Insekt am Blatt haften. Bei seinen Befreiungsversuchen berührt es immer mehr der klebrigen Tropfen. Die Pflanze reagiert auf den Berührungsreiz, indem sie ihre Tentakel zum Opfer hin wölbt und dieses fest auf das Blatt drückt. Zuletzt wickelt sich das Blatt vollständig um die Beute. Durch Verdauungsenzyme werden die Nährstoffe des Insekts herausgelöst und absorbiert.
Ist das Insekt zu groß, teilen sich benachbarte Blätter auch die Verdauungsarbeit. Schnell werden die aufgeschlossenen Nährstoffe aufgenommen und in die Speicherorgane der Pflanze transportiert. Wenn die Beute aufgelöst ist, entrollt sich das Blatt wieder. Bereits nach zwölf Stunden haben die aus dem Tier gewonnenen Nährstoffe Stängel und Wurzel des Sonnentaus erreicht. Die Pflanze kann nun ihrerseits wieder wachsen.
Raffinierter Fangapparat
Noch raffinierter geht die in Südafrika vorkommende Taupflanze Roridula gorgonias zu Werke: Ihre Klebfallen sind ein gestaffelter Fangapparat, mit dem ihre Beute – ohne Hoffnung auf ein Entkommen – festgehalten wird. Sie besitzt drei Arten von Drüsenhaaren auf den Blättern: lange dünne Haare von bis zu fünf Millimetern Länge, mittellange Haare (1-2,4 Millimeter) und kurze dickere Haare (0,3 – 0,7 Millimeter).
Die langen dünnen Haare sind besonders flexibel, produzieren aber ein schwächeres Klebsekret als die übrigen Haare. Die mittellangen Haare dagegen sind fast vier Mal steifer und sondern ein klebrigeres Sekret ab. Die kurzen Härchen sind sogar fast 50-mal steifer und verbiegen sich nur an ihrer Basis. Ihr Sekret ist rund neun Mal klebriger als das der langen Haare. Es hält einer Kraft von 156 Kilopascal stand und weist damit fast die vierfache Stärke von kommerziellem Fliegenfängerklebstoff auf. Ein Quadratzentimeter einer 130 Millionstel Millimeter dünnen Schicht des Roridula-Sekrets kann rund 1,5 Kilogramm Gewicht halten.
Forscher vermuten, dass die Taupflanze ihre Opfer mit diesem ausgeklügelten System aus Klebehaaren in die Falle lockt: „Die verführerisch glitzernden Sekrettropfen locken viele Insekten an. Zuerst streifen diese die langen Haare und haften daran. Gleichzeitig werden ihre Bewegungen durch die dämpfenden Eigenschaften der Haare und der klebrigen Sekrete abgeschwächt. Schließlich kommt die Beute in Kontakt mit dem besonders starken Klebstoff der kurzen, steifen Härchen der Pflanze, die das Opfer endgültig festhalten.
Eine weitere, ausgeklügelte Anpassung zeigen Lianen der Art Hakenblatt (Triphyophyllum): Sie können ihr Blätterkleid je nach Nährstofflage wechseln. Bekommen sie ausreichend Nährstoffe aus dem Boden, erzeugen sie kein Sekret. Bei Stickstoffmangel bilden sie dagegen klebrige Blätter, um Insekten zu fangen.