Die Schnelligkeit und Unaufhaltsamkeit, mit der die beiden Türme des World Trade Centers in sich zusammensackten, erstaunte selbst die Fachleute. Leslie Robertson, als Ingenieur hauptverantwortlich für die Konstruktion und Statik des WTC, erklärte kurz nach den Ereignissen in einer Stellungnahme: „Die Ereignisse des 11. September verstehe ich selber nicht ganz… und vielleicht sind sie auch nicht zu verstehen.“
Warum ging alles so schnell?
Seither haben Bauingenieure in aller Welt und verschiedenste Untersuchungsgremien versucht, die genauen Abläufe und Ursachen der Einstürze zu rekonstruieren. Lange Zeit kursierten unterschiedliche Erklärungsmodelle. Die einen sahen in den Bränden die Haupteinsturzursache, andere hielten die schiere Wucht der Einschläge für ausschlaggebend. Die Analysen der US-Katastrophenschutzbehörde FEMA beispielsweise ergaben, dass „beide Türme trotz des immensen Einschlagsschadens wahrscheinlich stehen geblieben wären, wenn nicht noch zusätzliche Belastungen – in diesem Falle die Brände – hinzugekommen wären.“
Eine etwas andere Sicht vertrat zunächst Charles Clifton, Bauingenieur und Experte für Stahlrahmenkonstruktionen: Seiner Meinung nach war es vor allem die Überlastung der inneren Tragesäulen und der Verbindungselemente zwischen Wand und Bodenträgern, die den Einsturz unausweichlich machten. „Der Effekt der Einschläge war so gravierend, dass das Feuer nicht viel zusätzlichen Schaden anrichten musste, um die Gebäude kollabieren zu lassen“, so Clifton im Jahr 2002.
Stahlskelett mit weichem Kern
Unabhängig davon, welche Theorie sich letztlich als wahr herausstellen sollte, stand bereits von Anfang an fest, dass der Einsturz in engem Zusammenhang mit der speziellen Bauweise der beiden Türme stehen musste. Nach Ansicht von Experten der FEMA war sowohl das Stehenbleiben beider Türme unmittelbar nach den Einschlägen, als auch der dann umso schneller erfolgte Einsturz eine direkte Folge ihrer Konstruktionsweise.
Das World Trade Center ist ein typisches Beispiel für eine Stahl-Röhrenskelett-Konstruktion: Die Hauptlast des Gebäudes und des seitlichen Winddrucks trugen pro Fassade 60 mit Feuerschutzbeton ummantelte und 47 Zentimeter dicke Stahlsäulen. In jeweils 1,02 Meter Abstand angeordnet, bildeten sie eine steife, gegen Verwindungen stabilisierende Röhre um das gesamte Innere des Turms. Im Kern jedes Turms gruppierten sich noch einmal 48 beschichtete Stahlsäulen um und zwischen den Treppenhäusern und Aufzugschächten. Diese Säulen sollten zusätzlich einen Teil des Eigengewichtes des Bauwerkes tragen, nicht jedoch seitliche Belastungen abfangen.
Platzsparend, aber feuerempfindlich
Die Stahlskelettbauweise hat den Vorteil, sehr wenig Platz einzunehmen und trotzdem sehr belastbar zu sein. Nachteil ist allerdings die Feuerempfindlichkeit des Stahls: Ist er Temperaturen von rund 600°C ausgesetzt, wird er weich und verliert sehr schnell vier Fünftel seiner Tragkraft. Alle Stahlträger im Innenbereich waren daher mit der damals üblichen rund vier Zentimeter dicken, aufgespritzten Feuerschutzmasse beschichtet. Die Träger der Außenfassade schützte eine Betonummantelung.
Die einzelnen Geschossböden bestanden aus 900 Stahlträgern von je 20 Metern Länge, die außen und innen über eine Art Konsole mit der Innenseite des Fassadenskeletts verbunden waren. Die Träger hatte man dabei mit der Tragekonsole verschweißt, die Konsole mit den Fassadenträger vernietet und verschraubt. Der eigentliche Boden der einzelnen Etagen bestand aus einer zehn Zentimeter dicken Betonauflage auf den Horizontalträgern.