Mikrobiologie

Ein Leben in Sicherheit

Die Vorteile und das Vorkommen von Biofilmen

Biofilme sind eine weit verbreitete bakterielle Lebensform. Die weitaus überwiegende Zahl von bis zu 99 Prozent der Mikroorganismen kommt in der Natur in einer solchen Schleimmatrix vor.

Biofilm als sicheres Zuhause

Das Leben in Biofilmen hat dabei eine lange Geschichte: Paläontologen haben in Westaustralien versteinerte rund 3,5 Milliarden alte Biofilme in Stromatolithen nachgewiesen. Diese manchmal fast turmartigen Gebilde entstehen, wenn sich Mikrobenmatten mit ablagerten Sediment abwechseln. Noch heute bilden Bakterien solche Stromatolithen. Dass sich die Lebensform so gut bewährt, hat auch einen Grund.

Biofilme bieten Mikroben vor allem einen entscheidenden Vorteil: In der fest mit einer Oberfläche verbundenen Schleimschicht sind sie gegen Störungen von außen gut geschützt. Bilden Bakterien beispielsweise auf Kies an einem Gewässer einen Biofilm, werden sie dort regelmäßig von Wasser überschwemmt und können sich von den darin enthaltenen Nährstoffen ernähren. Sie werden jedoch nur selten aus ihrem Biotop herausgewaschen und etwa in den nächsten Fluss gespült. Die Stabilität des Biofilms macht ihn zu einem sicheren Zuhause.

Weite Verbreitung

So überleben Mikroben beispielsweise in Gestein, an Pflanzen, an Gewässern oder in heißen Quellen und unterstützen damit die Selbstreinigungsprozesse vom Boden und dem Wasser sowie die Bindung von Kohlenstoffdioxid. Und sogar in den Ozeanen überleben Mikroorganismen dank ihrer Biofilme. Dort wachsen sie etwa auf Korallen und lichtunabhängig lebende Mikroben können sogar in der dunklen Tiefsee auf Kalksteinablagerungen leben.

Zudem finden sich Biofilme auch im Eis auf Gletschern, wie ein Forscherteam um Heidi Smith von der Montana State University herausgefunden hat: Wenn Staub auf Gletscher geweht wird und sich als sogenannte Kryokonite ablagert, können die Bakterien, Algen und Co. schnell ihre sicheren Schleimschichten bilden und so haften bleiben.

Auch in unserem Körper

Haut
Auf der menschlichen Haut befinden sich natürlicherweise Biofilme: Sie schützen uns vor krankheitsverursachenden Bakterien. © dimarik/ Getty images

Biofilme kommen aber nicht nur in unserer Umwelt vor, sondern auch auf dem menschlichen Körper: Beispielsweise lebt auf unserer Haut – insbesondere an unseren Schweißdrüsen – eine Bakterienflora in Biofilmen. Die Mikroben, wie vor allem die Arten Corynebakterium oder Staphylococcus epidermis, ernähren sich dort von dem, was unser Körper als Abfall ausscheidet. Als Gegenleistung schützen sie uns vor fremden, weniger harmlosen Bakterien. Die gleiche Funktion hat auch der Biofilm, der sich in der Scheide befindet: Er verhindert die Kolonialisierung durch von außen eindringende Krankheitserreger.

Und die mikrobiellen Schleimmatrizen finden sich noch auf weiteren Flächen innerhalb unseres Körpers: Wissenschaftler um Jessica Mark Welch vom Marine Biological Laboratory in Woods Hole haben zum Beispiel Biofilme auf unserer Zunge sichtbar gemacht. Dabei fiel auf, dass die Struktur der mikrobieller Gemeinschaften in unserem Mund nicht zufällig zustande kommt, sondern einem komplexen Mosaik-Muster entspricht – je nach den Bedürfnissen und dem Wachstumsverhalten der verschiedenen Mikrobenarten.

Verdauungshelfer für Mensch und Tier

Selbst in für uns unsichtbaren Körperregionen finden sich Biofilme: So tummeln sich im menschlichen Magen-Darm-Trakt sogar etwa zehnmal mehr Mikroorganismen als Körperzellen – wovon ein Großteil in extrazellulären Schleimschichten organisiert ist. Die durch die Biofilme gebildete Darmflora ist wichtig für die Verdauung von Nahrungsbestandteilen und die Verstoffwechslung von komplexen pflanzlichen Kohlenhydraten, die von körpereigenen Enzymen nicht aufgeschlossen werden können. Zudem verhindern die Mikrobengemeinschaften die Ansiedlung von pathogenen Keimen in unserem Darm.

Auch im Verdauungstrakt von wiederkäuenden Tieren spielen Biofilme eine wichtige Rolle: Sie helfen, schwerverdauliche Gräser und anderes hartes Pflanzenmaterial abzubauen. Bei Rindern, Ziegen und Co. bilden sich im Darm auf dem gefressenen Grünzeug Biofilme. Diese bestehen zunächst aus Mikroben, die pflanzliche Zellulose abbauen und Fettsäuren produzieren – so lange, bis diese Zellulose zersetzenden Bakterien so viel Fettsäuren ausgeschieden haben, dass sie ihr eigenes Wachstum hemmen.

Dann wandern weitere, bewegungsfähige Bakterien in den Biofilm ein und verwerten diese Fettsäuren als Brennstoff für ihren Stoffwechsel. Dadurch wird das Grünzeug abgebaut und die Wiederkäuer verdauen schließlich die Futterreste, die mit der Schleimmatrix überzogen sind.

Doch auch wenn Biofilme natürlicherweise in Körper aller Organismen vorkommen und dort ihren Nutzen haben, sind sie auch ein medizinisches Problem…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Mikrobielle Biofilme
Schleimhülle als Überlebensstrategie und Medizinproblem

Ein Schleim aus Bakterien
Wie Mikroben sich zum Biofilm zusammenschließen

Ein Leben in Sicherheit
Die Vorteile und das Vorkommen von Biofilmen

Angriff auf den menschlichen Körper
Warum sind Biofilme für unsere Gesundheit problematisch?

Hartnäckige Biofilme
Immun gegen Antibiotika, Strahlung und Desinfektion

Biofilme wirksam bekämpfen
Maßnahmen gegen hartnäckige Keimkolonien

Vorbild Biofilm
Bakterielle Schleimmatrix als Quelle für Wirkstoffe

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